Über die Gefängnisse in Freiburg/Br. und Mannheim sowie das KZ Sachsenhausen kam Karl Leisner am Samstag, den 14.12.1940 ins KZ Dachau. Er bekam die Häftlingsnummer 22356 zugeteilt.
Heute auf den Tag genau geschah dies vor 80 Jahren.
Der Transport vom KZ Sachsenhausen zum KZ Dachau dauerte zwei Tage und eine Nacht. Bei der Ankunft fiel reichlich nasser Schnee. Dieser klebte sich an die hölzernen Pantoffeln und erschwerte das Marschieren. Nachdem die Geistlichen im Laufe des Jahres 1940 dort zusammengelegt worden waren, führten sie ein Eigenleben in anfangs drei vom übrigen Lager abgetrennten Blöcken (26, 28 u. 30). In Block 26 wurde eine Kapelle eingerichtet.
In der Lebens-Chronik kann man im Band III ab Seite 1967 bis 1970 zu dem Ereignis folgendes (auszugsweise) nachlesen:
Samstag, 14. Dezember 1940
Schreibstubenkarte des KZ Dachau:
Leisner Karl, Geistlicher | 14. Dez. 1940 v. S. [von Sachsenhausen]
22.356 | Sch 26/3 | 28.2.15 Rees a. R. | St. Blasien | Kr. Neustadt
Konzentrationslager Dachau, Personalakte für Geistliche in Dachau:
Karl Leisner, 282.15 Rees, 14.12.40 Kaplan
Richard Schneider:
Ich habe Karl Leisner (KL) am Tage seiner Ankunft im Konzentrationslager Dachau (Block 30) am 14.12.1940 kennengelernt. Ich war dort seit November 1940. KL wurde vom Lager Oranienburg-Sachsenhausen [KZ-Sachsenhausen in Oranienburg] nach Dachau verlegt. KL war damals Diakon, wurde aber dem Priesterblock 30 zugeteilt. […] Wie allen in der Lagergemeinschaft begegnete er auch mir stets als „Bruder Immerfroh“. […] In der Hand hielt er dabei das Freiburger Diözesan-Gesangbuch „Magnificat“, das er auf irgendeine Weise in das Lager hatte einschmuggeln können. Wir waren darüber sehr froh, damit das erste Gesang- und Gebetbuch in unserem Priesterblock überhaupt zu haben, nachdem uns alles – auch Brevier und Rosenkranz – bei der Einlieferung abgenommen worden war.
Sonntag, 15. Dezember 1940, 3. Adventssonntag
Karl Leisner aus Dachau, Block 28/1, an seine Familie in Kleve
Aus Deutschlands Süden sende ich Euch allen herzliche Wintergrüße. Vorgestern mittag fuhren wir in Sachsenhausen ab. Es war eine herrliche Fahrt durch die mondhelle Schneelandschaft. Besonders schön wurde es im Thüringer Wald. So rechte Weihnachtslandschaft, wie im Märchen, so schön. Über Bamberg – Nürnberg kamen wir gegen Frühmittag hier an. Die Nacht habe ich tief und erquickend geschlafen. Das erste Mittagsmahl hat mir sehr gut geschmeckt, und ich schreibe Euch in bester Stimmung und Gesundheit. Die Höhenluft wird meiner Lunge ein angenehmer Wechsel sein. Es ist prachtvolles Winterwetter. Euer schönes Weihnachtspackerl hat mir helle Freude gemacht. Allein schon der Duft von Mutters feinen Plätzchen „spezial Hausmarke“ zauberte heimatliche Festesstimmung hervor. Die gute Butte und die Wurst schmeckten nicht minder. So konnte ich frisch gestärkt die große Reise antreten. Euren Brief vom 30.11. las ich freudig. Vater hat also einen feinen Urlaub hinter sich. Wie war’s bei Frankens [Regens Arnold Franken]? Die Silberhochzeit [von Tante Paula und Onkel Balz Väth am 16.11.1940] war also ganz groß. Paula ist wieder daheim. An Weihnachten wird Willi auch noch [aus Berlin] kommen. Da wünsch‘ ich Euch ein recht frohes Feiern. Von Herzen bin ich dabei, seid also nicht traurig; denn ich bin’s auch nicht. Allen lieben Verwandten nah und fern, den lieben Hausgenossen von unten [Familie Erwin Nielen] und im Hof [Familie Heinrich Poethen], allen lieben Mitbrüdern und den Kameraden an der Front eine frohe Weihnacht und glückselig Neujahr. In der Hoffnung auf ein baldiges frohes Wiedersehen grüßt Euch frohgemut
Euer Karl