„Seit ein Gespräch wir sind“

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IKLK-Mitglied Christa Bockholt hat  ein neues Buch herausgegeben mit dem Titel: „Seit ein Gespräch wir sind – Glaubensgespräche“, in dem sie auch Karl Leisner erwähnt.

 

Lit-Verlag Münster 2014
ISBN 978-3-944804-01-9

 

 

 

Christa Bockholt:
Ziel des Buches ist es, den Glauben ins Gespräch zu bringen und sich dafür begeistern zu lassen. Themen wie „Es muss im Leben mehr als alles geben“, „Das leichte Joch“ oder „Auf das Dazwischen kommt es an“ werden mit unterschiedlichen Methoden und Impulsen betrachtet.
Karl Leisner hätte für die Vorbereitung von Gesprächsrunden mit den Jugendlichen der Jungschar sicher zu diesem Buch gegriffen. Es bietet eine Hilfe, ohne zeitauf­wendige Recherchen und Beschaffung fehlender Kommentare und Unterlagen Glaubens­gespräche vorzubereiten. Vielleicht hätte er es auch für seine persönliche Bibelarbeit genutzt, da das Buch jedem Interessierten die Möglichkeit bietet, sich mit den darin behandelten Bibeltexten und Glaubensfragen auseinanderzusetzen, Hinter­grund­wissen zu finden und sich durch Impulse, Meditationen, Gebete und Texte anregen zu lassen.

Schon früh war Karl Leisner das Glaubensgespräch ein Anliegen. In einem Brief vom 23. November 1931 schreibt er an Walter Vinnenberg:
Dal settembre noi abbiamo una società religiosa nella scuola. (Questa condu) Dr. Peters condurre questa. C’ è là bellis­simo. (Ogni martedi.) Al momento (?) noi parliamo sopra Pascal ed il Jansenismo. Ma in ogni „lezione” noi veniamo a mille temà (?) Già sai che Dr. Peters vi­ene di al­tro? ad altro(?) C’ è bello. In questi dialogi si impara molto utile e bello che si non ode altrimenti.
[
Seit September haben wir eine reli­giöse Gemeinschaft an der Schule. Dr. Bernhard Peters leitet sie. Sie ist sehr gut. (Jeden Dienstag). Augen­blicklich sprechen wir über Blaise Pascal und den Jansenismus. Doch in jeder „Vorlesung“ kommen wir auf tausend Themata. Du weißt schon, Dr. Peters kommt von einer Sache zur an­deren. Das ist schön. Bei den Gesprächen lernt man viel Nützliches und Schönes, das man sonst nicht hört.]

1932 bekam Karl Leisner ein Neues Testament.[1] Unterstrei­chungen und Noti­zen geben Zeugnis davon, wie sehr er mit dem Text gearbei­tet hat. Darüber hinaus zeigen die Eintragungen auf der ersten Seite, wie wichtig ihm das Bibelgespräch in der KWV-Gruppe war und dass es ihm um die Verknüpfung von Glauben und Leben im Hier und Jetzt ging.
Unsere Gruppenbibel im KWV.
Von der Gruppe mir geschenkt.
Grundsätze für die Schrifterklärung:
1. Das Anknüpfen an die Fassungskraft der Zuhörer.
2. Die Einbeziehung der Umwelt als Mittel für die Kündung der Froh­bot­schaft.
3. Die Heranziehung besonderer Ereignisse aus Geschichte und Gegen­wart im Sinne einer Deutung für die Predigt vom Gottesreich.
4. Die Kenntnis der Lebenswelt der Zuhörer als Voraus­setzung für die leben­dige Kündung des Wortes Got­tes.

[1] Rösch, Konstantin: Das Neue Testament, Paderborn 1931

Für Karl Leisner war es wesentlich, neben den gemeinsamen Fahrten auch die Gruppen­abende mit aktuellen Glaubensinhalten zu gestalten. So schreibt er am 13. November 1932 an Walter Vinnenberg:
Lieber Walter,
lang ist es her, daß Du das letzte von uns gehört hast. Doch dafür sollst Du diesmal einen langen Brief bekommen. – Zunächst will ich Dir einiges vom Leben der Gruppe, von unsern Zukunftsplänen und von unsern vergange­nen Fahrten erzählen. Nach der Schweizerfahrt sind wir wie­der richtig in Fahrt, wir streifen zur Tages- und Nachtzeit im Reichswald herum. […] Seit gut drei Wochen haben wir, wie Du ja weißt, unsere Gruppenabende wieder im Heim [Mühle]. In den Zusammenkünften beginnen wir jetzt die Guar­dinibriefe[1] „syste­matisch“ durchzusprechen. […] Dann noch eins, würdest Du etwa, falls Du im „schwarzen“ Münster mal zufällig ein „Novum testamentum – graece
et latine[2] in irgendeinem „Kramla­den“ billig fändest, dies für mich „beschlagnahmen“ und mir zu­schicken lassen? (Preis so zwischen 1,50–2,50 RM – dafür bekommt man doch eins „antiquarisch“.)

[1] Guardini, Romano: Gottes Werk­leute. Briefe über Selbstbildung Erste Reihe, Burg Rothenfels 1925
Anfangs erschienen die Briefe über Selbstbildung einzeln unter dem Titel Gottes Werkleute.
1. Von der Freudigkeit des Herzens (1921)
2.  Von der Wahrhaftigkeit der Worte (1921)
3. Von der Gemeinschaft (1922)
4. Vom Geben und Nehmen, vom Heim und von der Gastfreundschaft (1922)
5. Ernst machen (1922)
6. Vom Beten (1922)
7. Vom rechten Mannestum (1922)
8. Seele (1923)
9. Freiheit (1923)
10.   Staat in uns (1924)
[2] Nestle, Eberhard: Novum testamentum – graece (et latine). Griechisch-Lateini­sche Ausgabe des Neuen Testamentes von Eberhard Nestle, Stuttgart 1906

Anfang 1934 greift er Impulse aus den Exerzitien vom April 1933 auf und schreibt:
Welche Aufgaben habe ich in diesem Jahre?
[…] Ein Abend in der Woche ist für die religiöse Arbeitsgemeinschaft, einer für die geschichtliche Arbeit zu belegen. Wann?
[…] Jeden Tag etwas heilige Schrift oder Einsamkeit!
Überall verbreiten – in unserer Klasse, mit den Gochern[1] zusammen eine I-Gruppe[2] schaffen (in Verbindung vielleicht mit der religiösen Ar­beits­ge­meinschaft!) – im XP[3] – in der Gruppe – in der eigenen Fami­lie – vor al­lem zuerst in mir selbst!

[1] Zu ihnen gehörten Hermann Eickmans, Josef Vermeegen, vermutlich auch Raphael Gerhards und Walter Utzen.

Im Zeltlager in Groesbeek 1934 gehört die „Religiöse Stunde“ zum Tagesprogramm:
9.30–10.30 Uhr „Religiöse Stunde“: Praktische Auswirkung des Apostolats.2014_11_05_Tgb

 

Tagebuch 13, 148

 

 

Während seines Theologiestudiums erwähnt er in seinen Tagebüchern immer mal wieder das „Studieren der Bibelkommentare“:
Kleve, Samstag, 21. Dezember 1935
7.40 Uhr heilige Messe in [der] Christus-König[-Kirche]. Kaplan [Wilhelm] Hetterix liest [feiert die Messe]. Begegnung – Freude. Christus kommt in der Heimat doch noch schöner und heller!
Dann Bibelkommentar Matthäus studiert.[1]

[1] Vermutlich aus Herders Bi­belkom­mentar, Die Heilige Schrift für das Le­ben er­klärt, Hg: Edmund Kalt (für das AT) und Willibald Lauck (für das NT). Bd. XI,1: Das Evangelium des Hl. Mat­thäus, Freiburg/Br. 1935

Münster, Dienstag, 26. November 1935
Ich hab’ mich wieder zur Arbeit aufgeschwungen. Ich spüre lebendig Sen­dungs­kraft gerade ob dieser Zeitlage. Prophetisches Leben und Predigen tut heute not! – Ich probiere einmal statt Kollegs Privatstudium im Lesesaal [Universitätslesesaal am Domplatz]. (Kirsch[1] „Kirchengeschichte“ – Zeit­schriften (evangelische Theologie) (aus allem spüre ich die gewaltige Sehn­sucht nach Gott und zur Einen Hei­ligen Kirche. Wieviel Schönes steht und wächst auch bei den getrennten Brüdern!) – und Chrysostomus auf grie­chisch (ziemlich schwer im Anfang) Homilien zum 1. Korintherbrief[2] und den Kommentar von Sickenberger[3].

[1] Kirsch, Johann Peter: Kirchenge­schichte. 4 Bände, Freiburg/Br. 1930–1949
[2] Johannes Chrysostomus: Erster Brief des heiligen Paulus an die Korinther, Mainz 1859
[3] Sickenberger, Joseph: Die beiden Briefe des heiligen Paulus an die Korinther und sein Brief an die Römer, Bonn 31923

Während seiner Zeit im Reichsarbeitsdienst sucht er das religiöse Gespräch mit ganz unterschied­lichen Gesprächspartnern:
Mit Vm. [Vormann] Kaling Coll. Rel. [collo­quium reli­giosum – religiöses Ge­spräch].
[…] Dann beim Pfar­rer [Max Gewinner] Kartoffeln geschält. Ge­sun­gen und gelesen in sei­ner Zei­tung. Feuda­les Essen! Franz [Schöndorf] fährt schon vorher nach Mitt­weida. Nach dem Essen Schloß [Hubertusburg] besich­tigt. Am Horst­see dann herrlichen Nachmittag verbracht! Blü­hen und Grünen überall! Wun­derbarer Blick aufs Schloß. – Gesungen, von der Rom­fahrt [22.5. bis 8.6.1936] erzählt. Coll. catha. [Colloquia catholica – Katholi­sche Gesprä­che]
[…] Dann auf dem „feuri­gen Elias” [vgl. 2 Kön 2,11][1] Richtung Coevorden bis Hoogstede. Mit Heinz K. [Kaminsky] „dem Proble­matischen“ Coll. rel.
Bis nach dem Abendbrot ge­wacht [auf Wache gestanden]. Mit Nietschmann (Trupp I) Coll. rel.
Gutes [Morgen-]Gebet. – Schöner Tag! In feiner Seelen­stimmung. Froh ge­sungen beim Scheuern. „Sieh, wie mit Stärk.“ Mit Fm. [Feldmeister Adolf] Leopold kurzes Ge­spräch aus diesem Anlaß. – Nach dem Früh­stück mit Heinz Kaminsky nach Georgsdorf zur Post.[2] Schöner Spaziergang und Colla rel.
[colloquia religiosa – religiöse Ge­spräche].
Morgens auf Baustelle mit Otf. [Obertruppführer Erich] Pol­ster Coll. rel. de coelibatu etc., fide et eccle­sia [religiöses Ge­spräch über Zölibat usw., Glaube und Kirche].

[1] Es handelte sich um einen Zug mit Dampflokomotive. Heute verkehren auf dieser Strecke nur noch Güterzüge.
[2] Bis zum 1.4.1995 befand sich die Georgsdorfer Post im selben Haus wie 1937. Damals gab es dort außer der Postannahmestelle noch eine Bäckerei mit Koloni­al­wa­renhandlung. Das Gebäude ist äußer­lich un­verän­dert und dient heute als Begeg­nungs­stätte der Arbeiterwohlfahrt.