Seligsprechung Karl Leisners vor 19 Jahren

seit 1994Zur Seligsprechung eines Verstorbenen bedarf es eines Wunders. Beim Sterben als Martyrer wird auf ein Wunder verzichtet. Wäre Karl Leisner auch ohne die Umwidmung des Bekennerprozesses in einen Martyrerprozeß seliggesprochen worden? Die Anregung dazu kam aus Polen, wie aus dem Protokoll der Jahreshauptversammlung des IKLK vom 23.10.1987 hervorgeht.

Quelle des Fotos: Gabriele Latzel

 

Aus dem Protokoll der Sitzung:
Erstmalig nahmen an dieser JHV 10 französi­sche Mitglieder teil. Als wichtigen Punkt teilte der Vizepostulator [Heinrich Kleinen] eine Anregung aus Polen mit, der Bischof von Münster möge den Selig­sprechungsprozeß Karl Leisners von „Confes­sor“ auf „Martyrer“ in Rom umstellen lassen. Bisher wurden 5 KZ-Häftlinge (Maximilian Kolbe 1982; Titus Brandsma 1985; Edith Stein 1987; Michael Kozal 1987; Marcel Callo 1987) selig bzw. heiliggesprochen. Sie erhielten alle den Ehrentitel „Martyrer“. Deshalb sollen Bischof Dr. Reinhard Lettmann von Münster die notwendigen Unterlagen zugesandt werden, damit er die Umstellung bzw. die Ergänzung des Prozesses in Rom beantragen kann.

Die Mühlen in Rom mahlen langsam; schließlich erreichte folgender Brief den IKLK:

Link zum Brief

Via Sforza Pallavicini, 10
00193 Rom                                                                                   8. März 1991
Sehr geehrter Herr Haas,
vielen Dank für Ihr kürzlich übersandtes Päckchen mit den Unterschriften, das ich gestern erhielt. Es ist gut zu wissen, dass so viele Menschen, welche die Krypta des Xantener Doms besuchen, ihre Namen zu den vielen Tausenden hinzuzufügen wünschen, die in Rom um die Verherrlichung des Dieners Gottes Karl Leisner mittels Unterschriftenliste nachgesucht haben.
Ich danke Ihnen, dass Sie so sorgfältig und treu diese Glaubenszeugnisse von Christen sammeln und sie an mich weiterleiten.
Ich habe nämlich auch schon die anderen beiden Pakete erhalten, welche das gesamte Jahr 1990 umfassen.
Wahrscheinlich haben Sie schon den umfangreichen Band gesehen, der kürzlich in Rom gedruckt wurde und eine Zusammenfassung der Zeugnisse bezüglich des heroischen Tugend-Grades enthält, bis zu welchem Karl Leisner die christlichen Tugenden ausübte. Er wurde kürzlich durch die Druckerei Guerra an Monsignore Mussinghoff übersandt.
Jetzt warten wir sehnlichst auf die Ergebnisse des zusätzlichen Prozesses, der über das Martyrium des Dieners Gottes geführt wird. Lassen Sie uns fortfahren zu hoffen und zu beten, dass er bald zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden möge, und dass wir die Causa bald den zuständigen Autoritäten in der Kongregation für Selig-und Heiligsprechungsprozesse zum Akten-Studium werden vorlegen können.
Ich möchte nochmals meinen Dank aussprechen für alles, was Sie für die Sache Karl Leisners tun. Es ist höchst wichtig, dass das allgemeine Interesse am Diener Gottes weiterhin anhält, und Sie leisten wunderbare Arbeit, damit dies so geschieht.
Ich nutze diese Gelegenheit, um Ihnen eine gnadenreiche Fastenzeit zu wünschen als Vorbereitung auf ein glorreiches Ostern.
Ergebenst im Herrn Jesus
Frater Redemptus Maria Valabek, Ocarm
Postulator Generalis Carmelitarum

Das Unternehmen war von Erfolg gekrönt. Am 12. Januar 1996 verkündete Papst Johannes Paul II. in Rom die bevorstehende Seligsprechung von Karl Leisner.

Rom1996

Sie erfolgte am 23. Juni 1996 in Berlin.

20_Seligsprechung

Wer ist ein Martyrer?
In der Kirchengeschichte lesen wir vom grausamen Sterben der ersten Christen. Die Kirche verehrt sie als Martyrer. Bis vor kurzer Zeit war es unvorstellbar, daß unter anderen auch wieder Christen durch Enthauptung und Kreuzigung sterben. Wie kann da ein Mensch als Martyrer gelten, der in einem weißen Bett stirbt? Auch Terroristen deklarieren ihre Selbstmordattentäter als Martyrer.
Früher verstand man als Martyrer Menschen, die anderen nichts zuleide tun und lieber den Tod erleiden, als ihre für eine ganze Gesellschaft vorbildliche Einstellung und Haltung zu verraten.
Ein echter Martyrer sucht nicht den Tod. Er nimmt ihn allenfalls an, wenn er ihm nicht mehr ausweichen kann. Antike christliche Martyrer mögen mit Todesverachtung in die Löwenarena gegangen sein. Absichtlich herausgefordert haben sie ihren Leidensweg deswegen noch lange nicht. Martyrer wird nicht, wer den Tod aktiv sucht, sondern nur, wer sein Leben verliert für den Glauben.
Bei Karl Leisner und dem mit ihm seliggesprochenen Propst Bernhard Lichtenberg, der ebenfalls in einem weißen Bett gestorben ist, war das Sterben die Folge von all dem, was man ihnen angetan hatte, weil sie sich gegen den Nationalsozialismus gestellt hatten.

Quelle der nicht ausgewiesenen Fotos: IKLK-Archiv