So kannte Karl Leisner den Pegelturm in Rees, so sieht er zur Zeit „noch“ aus

Quelle des Fotos: Michael Scholten                                Quelle des Fotos: Stadt Rees

Unter der Überschrift „Pegelturm soll alte Haube erhalten“ berichtete Michael Scholten in der Rheinischen Post vom 22. April 2017, der Verkehrs- und Verschönerungsverein (VVV) von Rees habe vor, dem Pegelturm wieder zu der alten Pracht zu verhelfen, die er vor seiner Zerstörung 1945 hatte.

Link zum Artikel

Obwohl Rees „nur“ Karl Leisners Geburtststadt war und Kleve seine eigentliche Heimat wurde, zeigen seine Tagebuchnotizen, daß er die Stadt, in der er geboren und getauft wurde, in den Kindergarten ging und in die Volksschule eingeschult wurde, nicht vergessen und auch öfter besucht hat.
Noch im KZ Dachau freute er sich, daß seine Angehörigen anläßlich seiner Priesterweihe im KZ seine Taufkirche in Rees besucht hatten.

Tagebucheinträge

Kleve, Samstag, 29. [30.] Juni 1928
(Wandertag) Um 7.45 Uhr trafen wir (unsere Klasse U III g) [uns] am Bahn­hof [in Kleve]. Bis Cal­kar gings mit dem Zug. Von dort zu Fuß über den Damm zur Ponte [Reeser­schanz]. – Dort kurze Rast; dann übergesetzt. – Rees, meine Geburtsstadt kurz besichtigt (be­sonders die Kirche [St. Mariä Himmelfahrt]).

Kleve, Freitag, 24. Mai 1929
Fahrt mit dem Rad nach Wesel vom 24.5. bis 25.5.1929
Um 7.00 Uhr starteten wir über die Uedemer Straße nach Qualburg. Von dort radelten wir über Calkar nach Reeserschanz, wo wir [Willi und ich] zu­sammen für 50 Pfennig mit dem Mo­torboot [über den Rhein] übersetzten. In Rees besichtigten wir kurz die Kir­che [St. Mariä Himmelfahrt] und gingen dann bei Tepaß Kaffeetrinken. Dort kamen wir um 8.45 Uhr an. Wir besichtigten das Kohlenlager und den Garten und fuhren nun über Haldern nach Wesel zu Onkel Hans, wo wir um 11.30 Uhr waren.

Marienthal, Mittwoch, 18. Mai 1932
Hinter Haldern „schnappten“ wir eine Karre, die uns die fünf km bis Rees mitnahm. Fein! – In Rees kaufte ich bei [Bäcker Peter] Köpp („ein kleines viertel Pfündchen!“)[1] Brot. – Wir setzen über [den Rhein].
[1] Aus Karl Leisners Kind­heit erzählt man sich in seiner Familie folgende Geschich­te:
Als kleiner Junge schon wollte er seine Schuhe selbst zubinden und mit fünf Jahren wußte er sich zu helfen, als er vergessen hatte, wieviel Hefe er kau­fen sollte. Er sagte im Geschäft [Bäckerei Peter Köpp]: „Ich hätte gerne ein halbes Pfund Hefe.“ Da schickte ihn die Ge­schäftsfrau nochmal nach Hause, um die genaue Menge zu erfragen. Er aber ging nur etwas vor die Tür, kam dann wieder und sagte: „Ich hätte gern ein kleines halbes Pfündchen Hefe.“
(s. Leisner, Wilhelm: Bericht vom 29.11.1947, (Manuskript): 1; Pies, Otto: Stephanus heute. Karl Leisner. Prie­ster und Opfer, Kevelaer 1950: 11; Lejeune, René: Wie Gold im Feuer geläutert – Karl Leisner 1915–1945, Hauteville 1991: 21f. u. Seeger, Hans-Karl: Karl Leisner. Visionär eines geeinten Europas, Kevelaer 2006, 22012: 16)

Kleve, Freitag, 1. Dezember 1933
Bildungsgang des Oberprimaners Karl Leisner
Kleve, den 1. Dezember 1933
Bevor ich meine langen Schuljahre mit einer Schlußprüfung beschließe, soll ich eine kurze Übersicht über mein bisheriges Leben geben.[1]
Ich wurde geboren am 28.2.1915 in Rees am Niederrhein als Sohn des Ge­richtsbeamten Wilhelm Leisner und seiner Gattin Amalia, geborene Falken­­­stein.
Mit sechs Jahren kam ich auf die Grundschule zu Rees. Aber schon zu Weih­nachten mußte ich Rees verlassen, weil mein Vater nach Kleve versetzt wur­de.
[1]  Offensichtlich war der Lebenslauf für die Zulassung zum Abitur notwendig.

Karl Leisner aus Sachsenhausen Sonntag, 11. August 1940, an seine Familie in Kleve:
Ich hoffe doch zuver­sicht­lich, Euch alle bald fröhlich und gesund wiederzusehen. Ihr müßt halt noch eine Weile warten können. Ich hab’ in dem dreiviertel Jahr diese große Kunst gelernt. Maria, Paula und Elisabeth wie gern wär’ ich mit Euch auf der „Woy“ im Kahn geschaukelt, vor uns auf der andern Rheinseite die Mauern und Türme von Rees, der Ge­burtsstadt von Paula und mir.

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 19. September 1942, an seine Familie in Kleve:
Also Rees habt Ihr gegrüßt von [Nieder-]Mörmter aus. Ja, da möcht’ ich mal gern wieder mitradeln. Grüßt alle dort herzlich wieder!
Paula, gel’, da [in Rees] ist’s schon schön, wo wir das Licht [der Welt] er­blickten zum ersten Mal, am herrlichen Rhein!

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 13. Januar 1945, an seine Familie in Berlin und in Nie­dermörmter:
Also, un­ser altes Rees ist auch zer­stört.[1] Na ja, gut daß sie Euch auf der andern Seite [des Rheins in Nieder­mörmter] in Ruh’ gelassen haben.
[1] Bevor Rees am Freitag, dem 16.2.1945, völlig zerstört wurde, hatte es Luftan­griffe am 11.9.1944 mit sechs Toten, am 23.10.1944 mit sechs Toten und am 14.2.1945 mit neun Toten gegeben.

Sammelbrief von Familie Wilhelm Leisner aus Niedermörmter am Mittwoch, 24. Januar 1945, an Karl Leis­ner:
Mein lieber Karl!
Nochmals herzliche Glück- und Segenswünsche; wir alle sind mit Dir glücklich und danken Gott. Am ersten Weih­nachtstag wa­ren Maria und ich in Deiner Taufkirche [St. Mariä Himmelfahrt in Rees] in der Mette, am Stephanstag [26.12.] wohnten Mutter und ich um 10.00 Uhr in dersel­ben Kirche dem heiligen Opfer bei, nachdem Du gerade Dein erstes heili­ges Opfer dargebracht hattest. Und nun wollen wir weiter beten, damit Du bald dort (Rees) oder hier [in Kleve] die Hei­matprimiz feiern kannst.
[…]
Sei für heute besonders herz­lichst gegrüßt von Deinem Dichliebenden Vater

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 27. Januar 1945, an seine Familie in Berlin und Nieder­mörmter:
Die Mette in [St. Mariä Himmelfahrt in] Rees nach nächtli­cher Fahrt über unsern Strom [von Niedermörmter mit dem Boot über den Rhein zur Christmette nach Rees]. Und daß Du, liebste Mut­ter, ausgerechnet am 2. Feiertag dort weiltest, wo ich die schönste Stunde des nun bald 30jäh­ri­gen Lebens feierlich begehen durfte. Welch selten schöne Führung des Heiligen Geistes: Du gleichzeitig in meiner Geburts­stadt und Taufkir­che! So haben wir doch mitten in aller Not soviel Freude, Trost und inneren Frie­den, wie ihn nur Gott uns schenkt in der Liebe des Heilan­des.