Telgte: Karl-Leisner-Weg

Telgte Karl-Leisner-WegAm 16. Mai 2013 beschloss der Rat der Stadt Telgte die Festsetzung des Straßennamens „Karl-Leisner-Weg“ für eine im Bebauungsplangebiet Mönkediek I entstandene Stichstraße. Der Kirchenvorstand der Gemeinde St. Marien in Telgte hatte mit Schreiben vom 7. Februar 2013 den Rat der Stadt Telgte und den Bürgermeister Wolfgang Pieper um die Benennung nach Karl Leisner gebeten.

Unterhalb der Straßenbezeichnung steht:
Karl Leisner, kath. Priester, geb. 28.02.1915, gest. 12.08.1945, wegen NS-kritischer Äußerungen 1939 verhaftet und in das KZ Dachau eingeliefert; verstarb 1945 an den Folgen seiner Haft

Ausgehend von der Antragsbegründung des Kirchenvorstandes lautete die Begründung für den Beschlussvorschlag des Rates der Stadt Telgte:
[…] Karl Leisner wurde am 25.03.1939 von Bischof Clemens August Graf von Galen zum Diakon geweiht. Wegen kritischer Äußerungen gegenüber Hitler wurde er noch im gleichen Jahr verhaftet und [am 14.12.1940] in das KZ Dachau eingeliefert, in dem er mit einer Vielzahl weiterer Geistlicher im sog. „Priesterblock“ untergebracht war. Am 17.12.1944 wurde Leisner hier von dem französischen Bischof Gabriel Piguet von Clermont heimlich zum Priester geweiht und war damit der einzige Geistliche, der jemals in einem KZ die Priesterweihe empfing. Seine dortige Primiz am 26.12.1944 blieb die einzige heilige Messe, die er feierte. Karl Leisner starb am 12.08.1945 an den Folgen seiner Lagerhaft. Am 23.06.1996 wurde er von Papst Johannes Paul II. in Berlin selig gesprochen.

siehe Link zu buergerinfo.telgte

Der tiefen Christusfrömmigkeit Karl Leisners stand seine innige Marienfrömmigkeit nicht entgegen, sie begleitete ihn sein ganzes Leben. Von 1928 bis zu seiner Verhaftung am 9. November 1939 besuchte Karl Leisner alljährlich Telgte.

Telgte GnadenkapelleTelgte Gnadenbild

Unterhalb einer Ansichtskarte von der Gnadenkapelle in Telgte schreibt Karl Leisner:
Gnadenkapelle in Telgte, in der wir fast jeden Morgen Messe und Kommu­nion hielten.

Das Telgter Gnadenbild, ein lebensgroßes Vesperbild, wird in die Zeit um 1370 datiert, urkundlich erwähnt wird es erstmalig 1455. Bereits im 15. Jahrhundert wird von betenden Pilgern berichtet. Der Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen ordnete 1654 die erste organisierte Wallfahrt nach Telgte an und ließ die barocke Wallfahrtskapelle erbauen.

Die Jungkreuzbundgruppe St. Werner 1928 mit Walter Vinnenberg – Karl Leisner in der Mitte mit Gitarre

Die Jungkreuzbundgruppe St. Werner 1928 mit Walter Vinnenberg – Karl Leisner in der Mitte mit Gitarre

Auf der Westfalenfahrt im August 1928 lernte er den Wallfahrtsort kennen. Unter der Leitung von Dr. Walter Vinnenberg[1] fuhren die Jungen der Jungkreuzbundgruppe St. Werner vom Bundestag des Katholischen Wandervogels in Buldern nach Telgte zur Bundestagung des Jungkreuzbundes. Walter Vinnenbergs Familie wohnte in Telgte, sein Vater Ludwig Vinnenberg war Gymnasiallehrer am Knickenbergschen Institut[2].

[1] Prälat Dr. phil. Walter Vinnenberg (* 8.6.1901 in Lippstadt, † 1.12.1984 in Bocholt) – Priesterweihe 27.2.1926 in Münster – Kaplan in Kleve St. Mriä Himmelfahrt u. Religionslehrer am Gymnasium in Kleve in allen Klassen v. 1.4.1926 bis Pfingsten 1929 – Außerdem unterrichtete er Hebräisch und Sport und leitete eine religionsphilosophische Arbeitsgemeinschaft. Er gewann Karl Leisner für die Jugendarbeit und gab den Anstoß zur Gruppenbildung. Mit den Jungen unternahm er zahlreiche Fahrten auch noch nach seiner Tätigkeit in Kleve.
[2] Heute wird das älteste in Telgte noch erhaltene ehemalige Schulgebäude Knickenberg-Haus genannt, in dem eine Seniorenbegegnungsstätte ist. 1859 übernahm Joseph Knickenberg (1814-1889) die Leitung des Progymnasiums und der Realschule mit Internat. Die Schule erlangte über Telgte und das Münsterland hinaus große Bedeutung. Die Zeitverhältnisse zwangen, 1934 das Internat und 1936 die Schule zu schließen.

Telgte Knickenbergsches InstitutTelgte, Montag, 6. August 1928
Das Telgter Zeltlager (Eröffnungstag des Zeltlagers)
Wir standen um 6.30 Uhr im Knickenbergschen Institut auf. Um 7.00 Uhr gingen wir in die Messe. Nach der Messe aßen wir im Institut für 20 Pfen­nig ein Früh­stück. Dann „ströpten“ wir ein bißchen in Telgte herum. Gegen Mittag gingen wir zum Zeltlagerplatz, einer Wiese an der Ems von Schulze-Hobeling[1].

[1] Auf den Wiesen des Bauern Hobeling in der Bauernschaft Telgte-Verth fand 1928 ein grö­ßeres Zeltlager der Quickborn-Jungenschaft statt, an dem Karl Leisner teilnahm. Auch später war der Hof immer wieder Anlauf­stelle für ihn und seine Jungen.

Telgte, Dienstag, 7. August 1928
Um 5.30 Uhr Aufstehen. Dann Freiübungen, die in einem Steigerungslauf zum Lager endigten. Dann wuschen wir uns in der Ems, die jetzt ziem­lich hoch war, aber später sehr schnell fiel. Nach dem Waschen zogen wir uns an und dann gings in die Gnadenkapelle, wo wir die Guardini Messe [Ge­mein­schaftsmesse[1]] beteten und kommunizierten. Nach der Messe gings wie­der zum Lager.

[1] Chorherr Pius Parsch CRSA feierte am 25.5.1922 die erste Gemeinschaftsmesse. Eine Stille Messe unterschied sich von einer Gemeinschaftsmesse da­durch, daß die Gläubigen Privatgebete oder eine Kommu­nionandacht verrichteten. In der Gemein­schafts­messe betete die Ge­meinde die Meßtexte z. B. mit Hilfe eines Schott-Meßbuches mit, zum Teil auch laut, während der zelebrierende Priester den la­teini­schen Text leise las. Ro­mano Guardinis An­liegen in der Liturgischen Be­wegung war: „Nicht in der Messe beten, sondern die Messe beten“ (Papst Pius X.).

Telgte, Donnerstag, 9. August 1928
Wieder 5.30 Uhr Aufstehen, Freiübungen. Baden. Messe [vermutlich in der Gnadenkapelle].

Telgte St. Clemens

 

Telgte, Sonntag, 12. August 1928
Um 7.00 Uhr war in der Pfarrkirche [St. Clemens in Telgte] Hochamt, das wir sangen.

Telgte, Mittwoch, 15. August 1928
Ich mußte morgens mit Frido Wais Messe dienen. Wir tranken bei Dr. [Wal­ter] Vinnen­bergs Eltern [Ludwig und Maria Vinnenberg] lecker Kaffee.

 

 

Telgte, Donnerstag, 16. August 1928
Heute war der letzte Tag des Lagers. Wir brachen um Mittag unsere Zelte ab. Gegen 15.00 Uhr fings an zu regnen und wir flüchteten nach Verab­schiedung von den andern zum Bauern. Von dort gingen wir nach Telgte, wo wir um 17.30 Uhr im Ge­sellenhaus Kasperletheater spielten. (Ertrag 36,00 RM) Wir schliefen in einer Scheune in Telgte.

Telgte, Samstag, 18. August 1928
Wir traten gegen 10.00 Uhr von Telgte aus die Heimreise an.

1929 verbrachten die Jungen auf der Fahrt nach Rügen erneut einige Tage in Telgte.

Kleve, Samstag, 3. August 1929, 1. Tag
Um 14.54 Uhr Wei­terfahrt nach Telgte. An­kunft dort um 15.30 Uhr. – Vom Bahnhof gings zu Vinnen­bergs, wo wir un­sere Sachen hinlegten. Dann gings zum vorjähri­gen Zeltla­ger­platz [Westfalenfahrt 3.–18.8.1928] (Schulze-Hobe­ling), wo in der Ems geba­det wurde und Wasserball gespielt wurde. Um 18.40 Uhr gingen wir zu Vinnenbergs zurück und aßen zu Abend (Pellkar­toffeln mit Hering und Zwie­belsauce). Nach dem Essen putz­ten wir die Schu­he und vertrieben uns die Zeit bis 20.30 Uhr. Um 20.30 Uhr Auf­bruch (mit Schlafsack, Nacht­hemd usw. bepackt) zum Knickenbergschen Institut. Dort pennten wir, nachdem wir noch bis 21.30 Uhr Unfug gemacht hatten, bald ein.

Telgte, Sonntag, 4. August 1929, 2. Tag
Um 6.30 Uhr Aufstehen, Waschen und Anziehen. Um 7.15 Uhr Messe in der Kapelle des K.-I. [Knickenbergschen Instituts], mit Predigt über das Sonn­tags­evan­gelium, die Walter hielt. Nach der Messe streif­ten wir durch die Stadt und gingen um 8.30 Uhr bei Vinnenbergs Gries­mehl, wobei wir zwei [Karl und Willi] den Weseler Ku­chen ver­zehrten, essen.
[…]
Um 12.30 Uhr war bei Vinnen­bergs Mittag­essen (Gemüse­suppe mit Klößchen).
[…]
Um 20.00 Uhr gabs Brot­suppe bei Vinnen­­bergs. Um 20.45 Uhr gings zur Pfarr­kirche [St. Clemens], wo wir im Halb­dun­kel unser Abendgebet ver­richteten. Dann gings zum K.-I. [Knickenbergschen Institut], wo gepennt wurde. Um 21.30 Uhr schlief ich ein.

Telgte, Montag, 5. August 1929, 3. Tag
Um 6.50 Uhr Aufstehen, Waschen, Anziehen und Morgengebet. Um 7.30 Uhr in der Gna­denkapelle Messe. Dann zu Vinnenbergs gegangen und Kä­se­butter­brote geges­sen und Tee dabei getrunken. Bis Mittag schrappten wir Kar­toffeln und spielten Dame und Mühle. – Hermann Mies brach dadurch, daß er sich an ein Tau hängte, das mit der Laube verbunden war, diese bald ab. – Zu Mittag gab’s Wirsing mit Kartoffeln und eine Frikadelle. Um 14.30 Uhr ging ich mit Karl Meeter, Jan Ansems und Hermann Mies zum Gesel­lenhaus. Wir vier machten das Licht für’s Kasperle fertig. Um 18.30 Uhr kamen auch die andern und um 19.00 Uhr ging’s zu Vin­nen­bergs, wo’s Reis­boullionsuppe gab. Nachher Schuhe ge­putzt und Radio gehört. Um 20.30 Uhr gings zum K.-I. [Knicken­bergschen In­stitut], wo heute zum letzten Mal ge­pennt wurde. Um 21.30 Uhr schlief ich.

Telgte, Dienstag, 6. August 1929, 4. Tag
Um 6.30 Uhr Aufstehen usw. im K.-I. [Knickenbergschen Institut]. Um 7.15 Uhr zwei Messen in der Gnadenkapelle beigewohnt. Hierauf gings zu Vinnen­bergs, wo’s Milch mit Butterbroten gab. Dann packten wir die Affen und trugen Tagebuch ein. Hier­auf schmierte ich mit Peter Drießen und Edi Kre­chel Butterbrote. Um 10.30 Uhr gings zum Gesellenhaus, wo wir um 11.00 Uhr vor der Volks­schule den Lehrern und Kaplänen [Joseph Bullmann, Eberhard Hömann und Heinrich Lösgen] Kas­perle spiel­ten. Reiner­trag 44,00 [Reichsmark] (10,00 [Reichsmark] für den Saal be­zahlt), sonst 54,00 [Reichs­­­­­­­mark].
Um 12.30 Uhr war Schluß. – Gespielt wurde „Die Vor­stellung be­ginnt“ und Dr. Faust. – Nach Schluß räum­ten wir den Saal auf und zwar in einer vier­tel Stunde. Es war der reinste Zir­kusbetrieb. Mit den Tischen sausten wir durch den Saal und die Stühle hat­ten wir ein halbes Dutzend im Arm. Um 13.00 Uhr bei Vinnenbergs Mit­tag­essen (Erbsensuppe mit Wurst). Um 13.20 Uhr hauten wir mit den vier „Telg­tern“, nachdem wir vorher noch vor Vin­nen­bergs Haus ein Ab­schieds­lied gesungen hatten („Heut noch sind wir hier zu Haus“), zum Bahnhof Telgte ab und fuhren um 13.45 Uhr nach Münster.

1930 gingen die Jungen auf „Spielfahrt“. In verschiedenen Orten am Niederrhein bis ins Münsterland wollten sie mit dem Kasperlepuppenspiel die Fahrt und darüber hinaus Anschaffungen für ihr Heim finanzieren. Die letzten Tage verbrachten sie in Telgte. Karl Leisners Cousin Ferdinand Falkenstein hat dazu einen Fahrtenbericht geschrieben.

Telgte, Donnerstag, 28. August 1930
Um 9.00 Uhr Aufstehen und Frühstücken. […] Dann besuchten wir die Gnadenkapelle, danach badeten wir in der Ems. Beim Was­serballspiel gewannen wir, Karl [Leisner], Edi [Krechel] und ich 7:0. Um 21.00 Uhr gingen wir zum Schlafen ins Zelt.

Telgte, Samstag, 30. August 1930
6.00 Uhr großartiges Wecken, danach Turnen und Schwimmen. Um 8.00 Uhr gin­gen wir zur Kirche [St. Clemens in Telgte]

Telgte, Sonntag, 31. August 1930
Um 6.30 Uhr Aufstehen. Um 8.30 Uhr gingen wir zur heiligen Messe, danach Kaffee trinken.

Telgte, Montag, 1. September 1930
Um 7.00 Uhr Aufstehen, dann gingen wir zum Beten in die Gnaden­­ka­pelle, danach zum Einkaufen und Kaffee trinken. Dann gings nach West­­bevern, wo wir eine roma­nische Kirche [St. Cornelius und Cyprianus] besichtigten. Dort war ein sehr schöner Kreuz­weg.[1] […] Um 16.00 Uhr machten wir einen Bum­mel durch die Stadt [Telgte].

[1] Der von Prof. Wilhelm Lautenbach aus Münster gestaltete Kreuzweg wurde 1922 errichtet.

Telgte, Dienstag, 2. September 1930
Die Rück­reise er­folgte mit der Bahn von Telgte nach Kleve. Eine wohlge­lun­gene Spielfahrt mit viel Freude fand damit ihr Ende.

Von der Teutofahrt 1931, die erneut in Telgte endete, gibt es nur einige Aufzeichnungen von Karl Leisner.

Im Hof von Familie Vinnenberg

Im Hof von Familie Vinnenberg

Kleve, Freitag, 31. Juli 1931
Mit letzter Kraft über Darup – Nottuln – nach Mün­ster. Auf der Landstraße M – T [Münster – Telgte] Walter – Jupp [Mies] und ich voraus – Hobeling. (Kalter Kaffee.) Klei­nen in Telgte bei Vinnenberg.[1] Wir zu viert im Stroh gegen 22.00 Uhr einge­pennt.

Telgte, Samstag, 1. August 1931
Um 7.00 Uhr raus. – Bei Hobeling im Hof futtern. – Dann zum Zeltplatz. – Die drei Klei­nen kommen bald von Vinnenberg.

[1] Die drei jüngsten Teilnehmer der Fahrt schliefen nicht in der Scheune auf dem Hof Hobeling, sondern bei Familie Vinnenberg.

 

 

Telgte, Sonntag, 2. August 1931
Jupp [Mies] und Willi früh zur Kirche [St. Clemens in Telgte]. – Wir ande­rn später nach. – Nachher Kaffee. – Dann Schwimmen. Saumäßi­ger Bade­­be­trieb! – Nachmittags mit dem Telgter Jünglingsverein Spielen. Um 17.30 Uhr Kasper. – Zurück zum Lager und gekocht.

In der Osterwoche 1932 besuchten Karl Leisner, sein Bruder Willi und Hermann Mies Walter Vinnenberg in Münster, dabei machten sie auch einen Abstecher nach Telgte.

Telgte, Freitag, 1. April 1932, 4. Tag
Wir reinigen uns und die Räder, packen, bedanken uns und dann los nach Telgte zu Mutter [Maria] Vinnenberg. Wie immer nett! Als „kleine Stär­kung“ ver­zehrten wir einen halben Kuchen. Kakao in Mengen gab’s dazu. – Hm! Wir erzählen Frau Vbg. [Vinnenberg] das Neueste aus der Gruppe, sie beklagt sich über ihren Walter, was der nicht alles durchmacht für uns. „Der gönnt sich aber auch kein’ Ruh. Selbst nach’m Examen nich’. Er wird ganz mager!“ Wir verabschieden uns und dann geht’s heidi nach Münster zu Walter.

Im Sommer 1932 fuhren sie vom Kotten in den Bockholter Bergen einen Tag nach Telgte.

Kotten, Sonntag, 31. Juli 1932, 4. Tag
Nach dem Mittag­essen setzten wir uns auf die Räder und sausten nach Telgte. Bei Vinnenbergs stellten wir alles unter. Dann ging’s zur Badeanstalt. Dort vertrieben wir uns den Nachmittag mit Tummeln und Spielen zu Wasser und zu Land. – Gegen 17.30 Uhr ging’s wieder zu Vbg.’s [Vinnenbergs], wo man uns ein „opulen­tes“ Mahl bereitet hatte. („Klätschkäs’ – Stippmilch“ mit Kakao und Auf­schnittbutter­broten.) Hm! Nach einem kleinen Donnerwetter fuhren wir durch die Abenddämmerung zurück zum Kotten.

1933 fahren die Jungen nach Baltrum. Auf dem Rückweg stärken sie sich erneut bei Vinnenbergs in Telgte.

Osnabrück, Samstag, 19. August 1933
Mit dreiviertel Stunde „Verspätung“ laufen wir in Telgte, Walters „Heimat­hafen“, ein. Seine gute Mutter ist schon daran, für ihren Walter und seine „Zöglinge“ einen feinen Reisbrei zu „bauen“. Das feine Mahl mundet köst­lich. Nachher verabschieden wir uns voneinan­der, spre­chen von der Fahrt, regeln die „Geldreste“ und gehn dann auseinan­der. – Die gemeinsame Fahrt ist zu Ende!

Am 5. Mai 1934 zieht Karl Leisner in das Collegium Borromaeum in Münster ein, um Priester zu werden. Der erste größere Ausgang führt ihn nach Telgte.

Münster, Donnerstag, 10. Mai 1934, Christi Himmelfahrt
Erster langer Ausgang (Telgte mit [Gerd] Tosses)
Nach dem Mittagessen um 13.30 Uhr mit Gerd Tosses auf zum großen Aus­gang[1]! 14.10 Uhr bis Westbevern gefahren. Von dort nach Telgte zu Leh­rer [Friedrich] Sube und dann zu Familie [Ludwig] Vinnenberg. – Wie immer fein und gastlich familienhaft. Else [Vinnenberg] seit Binz [Rügen­fahrt 3. bis 23.8.1929] zum ersten Mal wiedergesehn!

[1] Die Hausordnung erlaubte an bestimmten Tagen, sich längere Zeit außerhalb des Collegium Borromaeum aufzuhalten.

Einige Tage später nimmt Karl Leisner an der bis heute alljährlich stattfindenden Fuß­wall­fahrt nach Telgte teil.

Münster, Sonntag, 13. Mai 1934
2.20 Uhr (noch dunkel!) raus. Auf zur Marienfahrt der Jungmänner Mün­sters. Wir alle mit. – Feine Wall- und Betfahrt durch den wundervollen Mai­morgen. – Muttertag. Um 3.30 Uhr nach Reisegebet und sakramentalem Segen Auszug der 2.300 (!) aus [der St.-]Ludgeri[-Kirche]. Erlebnis: Natur und Über­natur in ganzer Entfal­tung. Grünende Maiwelt, schlagende Amseln – grau­ender Morgen, her­vorglutende Sonne – Muttergottesverehrung. – Man hat keinen Anlaß, müde zu werden, so schön ist es!
Nach der heiligen Messe [in St. Clemens] kurzer Besuch bei der Muttergottes [in der Gna­denkapelle in Telgte] und Kundge­bung. Religionslehrer [Rein­­hold] Fried­richs spricht über Wallfahrt der katholischen Jungmänner am Mutter­tag. Dann ziehen wir zur Wirtschaft Stumpe, wo es guten Kaffee zu den mitge­brachten Butterbroten gibt. Um 7.45 Uhr bei Vinnenbergs. Walter nicht da, schade! Bis nach 9.30 Uhr nett „gekürt“ mit Frau [Maria] Vbg. [Vinnen­berg] und [Toch­ter] Else, die noch immer dasselbe leben­dige und feine Mädel von frü­her ist. Zwischendurch kommt der alte Herr [Ludwig] Vinnen­berg und „Mieze“ [? Tochter Maria Katharina Vinnenberg] und zu guter Letzt ein interessantes Unikum, ein pensio­nierter Stu­dienrat. Zum Schluß zeigt Else mir das neueingerichtete Zimmer von Walter. Wirklich fein!

Münster, Samstag, 2. Juni 1934
Nachmittags Fahrt nach Telgte zu Walter [Vinnenberg]. Dort Bücher ge­holt.

Münster, Sonntag, 1. Juli 1934, Fest vom kostbaren Blute Christi
6.00 Uhr ab [St.] Lam­berti Große Wallfahrt nach Telgte! – Etwas launisch und müde unter­wegs, aber Sieg! Gegen 8.45 Uhr an der Marienlinde, wo der Hochwürdigste Herr Bischof [Clemens August Graf von Galen[1]] uns Wallfahrer segnend be­grüßte. 9.15 Uhr Pontifikalamt auf dem Kirchplatz. Bischofspredigt (Grund­­ton „… ecce enim ex hoc benedi­cant me omnes generationes“[2] – die Gnade und die Schwere des Berufes der Gottesmutter, der Mutter un­seres Erlösers! – Auch unsere Geschlechter sollen Maria seligpreisen. Mahnung an Eltern und Lehrer. Sehr ernst! – Nachher bei Rumphorst[3] Mit­tagstisch. Dann zur Pfarr­kirche [St. Clemens], wo das Gna­denbild ausgestellt war in „Fest­gala­gewand“[4]. (Altenberger Rosen­kranz[5] und [Diözesan-]Gesangbuch be­rührt! Denke dran!) Innig gebetet für Eltern, Geschwister, Verwandte etc. – und um die Gnade des Priestertums. Danach bei Vinnenbergs Rad geholt (Else [Vinnenberg] kam an die Tür) und zum Lager der Großneu­deut­schen bei Raestrup an der Ems gefahren.

[1] Clemens August Graf von Galen (* 16.3.1878 auf Burg Dink­lage i. O., † an Blind­darmdurchbruch 22.3.1946 in Münster) – Priesterweihe 28.5.1904 in Münster – Bischofsweihe zum Bischof für das Bistum Mün­ster 28.10.1933. Am 18.2.1946 wurde er zum Kardinal ernannt und am 9.10.2005 in Rom se­ligge­sprochen.
[2] Lk 1,48: Ecce enim ex hoc beatam me dicent omnes generationes – Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.
[3] Gaststätte am Steintor 1. In dem Gebäude war später eine Sparkasse, heute befin­det sich dort ein DRK-Zentrum.
[4] Das Gnadenbild wird an Festtagen mit entsprechenden Gewändern umhüllt.
[5] „Erfindung“ von Ludwig Wolker während des Zwei­ten Weltkrieges – be­­sondere Form des marianischen Gebetes – entstanden aus der Wall­­fahrt zur Altenberger Madonna – Bei dieser Form des Rosenkranzes wird nach der üblichen Einleitung nur je­weils ein Ave Maria mit einem der fünf Geheim­nisse des freudenreichen, schmerzhaften und glorreichen Rosen­kranzes ver­­bunden.

Münster, Sonntag, 22. Juli 1934, 9. Sonntag nach Pfingsten
Um 17.15 Uhr sause ich los nach Telgte. Walters Vater [Ludwig Vinnenberg] öffnet! Walter ist im Emsbad. Ich hin!

Im Oktober 1934 wird Karl Leisner zum Diözesanjungscharführer berufen. Am 25. Februar 1939 auf einer Wallfahrt nach Telgte blickt er dankend auf diese Zeit zurück.
Bei der Opferung lege ich alles Schwere und Schöne auf die Pa­tene und bringe es durch die Hand Mariens Gottvater im Him­mel dar: allen Dankes­jubel des Herzens für die Freuden der Ju­gend(bewegung), die zum großen Teil immer wieder um dies Hei­ligtum der Muttergottes [in Telgte] kreisten. 1928[1] – usw. bis 1934 (Pfing­sten) zur Verpflichtung als Diözesanjung­schar­führer (mit P. Ho. [Heinrich Horstmann SJ] und DP. [Diözesanpräses Hein­rich] Roth) und allen Kameraden.[2]

[1] Im August 1928 hatte Karl Leisner an einem Lager in Telgte teilgenommen und dort zum ersten Mal die Gnaden­kapelle besucht.
[2] Pfingsten 1934 hatte Karl Leisner ein Lager in Marienthal geleitet. Pfingsten 1935 hat er sich als Diözesanjungscharführer mit den Bezirksjungscharführern in Telgte getroffen.

Pfingsten 1935 Treffen der Bezirksjungscharführerin Telgteobere Reihe v. l.: 7. Karl Leisneruntere Reihe v. i.: 4. Willi Leisner

Pfingsten 1935 Treffen der Bezirksjungscharführerin Telgte – obere Reihe v. l.: 7. Karl Leisner – untere Reihe v. i.: 4. Willi Leisner

 

Pfingsten 1935 finden die Diözesantage der Jungschar mit Treffen der Orts- und Bezirksjungscharführer und Karl Leisner als Diözesanjungscharführer in Telgte statt.

 

 

 

Während der Semesterferien 1935 besucht Karl Leisner Walter Vinnenberg in dessen Elternhaus.

Kleve, Samstag, 24. bis Sonntag 25. August 1935
Über Telgte, wo ich Walter lästig falle, Gerleve, Haltern, wohin die [Duis­burg-]Hamborner Jungens leider nicht kamen, „Rudolf Hadrians“ – nach Hause.

Am 30. November 1935 hält Karl Leisner Rückblick auf das vergangene Kirchenjahr und erinnert sich seiner Wallfahrten.
Wir alle sind noch auf der Pilgerschaft, auf dem Weg – Wallfahrer war ich oft: zu unserer Lieben Frau und ihren Stätten der Gnade. In Kevelaer, Mari­en­­baum, Altlünen, Telgte, Vreden, Blieskastel (Saar), Altenberg hab’ ich vor Ihrem heiligen Bilde gekniet und hab’ zu Ihr, der himmlischen Mutter gefleht und gesungen, gebetet und aufgeschaut und immer wieder hat sie mir neue Liebe, neue Kraft und neue Freude durch Christus geschenkt.

Telgte Museum

Münster, Freitag, 24. Januar 1936
Mit Heini T. [Tenhumberg[1]] und unserem Fachschaftskreis [der Theologen] nach Telgte und Freckenhorst. Im Heimatmuseum T. [Telgte] feine west­fäli­sche Krippenschau und sonstige Volkskunst und Volksbrauchtum.[2]

[1] Heinrich (Heini) Tenhumberg (* 4.6.1915 in Lünten, † 16.9.1979) – Priesterweihe 23.9.1939 in Münster – Bi­schofs­­weihe zum Weihbischof für das Bistum Münster 20.7.1958 – Bi­schof von Mün­ster 7.7.1969 bis 16.9.1979
[2] Religio – Westfälisches Museum für religiöse Kultur in Telgte
Gründung durch Dr. Paul Engelmeier (18881971) 1933 – Einrichtung in der ehemaligen Pastoratsscheune neben der Gnadenkapelle 1934 – Erwei­terung nach Plänen von Dominikus Böhm 1937 – neuer Erweiterungsbau mit modernen Ausstellungsflächen 1983 – Anbau für das Telgter Hunger­tuch 2012

Münster, Mittwoch, 17. November 1937, Buß- und Bettag
Zur Bahn. [Von Münster über Sudmühle] Bis Westbevern gefah­ren. Zu Fuß über Haus Langen nach Telgte – Feines Selbstgespräch über das vergangene Leben und zukünftige Haltung. Kurz vor 17.00 Uhr in der Gnadenkapelle. Vor der schmerzhaften Mutter innig gebetet. – Alles Schöne an alten Erinnerungen, wie man als Pimpf [im August] 1928 hier stand, als Junge Walter die heilige Messe diente, wenn man auf Fahrt da war, wie ich als Theologe so oft um Gnade und Beruf gefleht, als DsF [Diözesanjungscharführer] mich ver­sprochen …
Herrlich! Heute ist’s ein großes Danke für das Freiburger Jahr [in den Außensemestern] und die Dienstzeit [im RAD], für die Hilfe bei der Ent­scheidung, wie sie in Kevelaer in ihrem Heiligtum seine Krone fand. – Kurz nach 17.00 Uhr bei Walter [Vinnenberg]. Kuchen bei seinen Eltern [Ludwig und Maria Vinnenberg]. Dann Plauder­stündchen oben beim Bücherpacken für Coesfeld.[1] Kaplan Harry [Hein­rich] Heitmeyer, der zur Zeit (als Aus­hilfe für den [am 3.9.1937] verstorbe­nen Propst [Adam Schrull]) in Telgte bei Vinnenbergs wohnt, unterhält uns bei Tisch. Er meint, ich habe mich in den eineinhalb Jahren stark ver­ändert. – Er hat nicht unrecht. – Gemein­sames Abendessen – dann zur Bahn. Grad’ recht!

[1] Walter Vinnenberg war von 1937–1938 am Gymna­sium in Coesfeld als Lehrer tätig.

Am 27. Januar 1938 blickt Karl Leisner erneut dankbar auf seine Beziehung zur Gottesmutter.
Was hat mich die liebe Gottesmutter doch in den Jahren zum Priestertum geführt. Telgte, Kevelaer, Marien­baum, Schönstatt – o wenn ich an diese Gnadenstunden, die großen und kleinen denke. Dank Dir, liebe himmlische Mutter!

Am 3. Juli 1938, zwei Tage nach dem Empfang der Niederen Weihen, nimmt Karl Leisner an einer Prozession nach Telgte teil.

Am 25. Februar 1939, acht Tage vor der Subdiakonenweihe, erlebt Karl Leisner letztmalig eine Wallfahrt nach Telgte.
Wallfahrt des Dankes, der Freude und Sühne für den Lebensweg bis hierher, der Bitte und des kindlichen Flehens um Gnade, Kraft und Hochgemutheit der Seele für die kommenden zwei­drit­tel [des Jah­res bis zur Priesterweihe im Dezember 1939] (nach mensch­li­chem Ermes­sen); vor allem um aufrichtige Herzensgesinnung und Gehor­sam und Rein­heit für die Entscheidung des Subdiakonates, die ja doch kein Kin­der­spiel ist, sondern freien Mannes kräftiges Tun, betaut[1] und im letzten erweckt von Gottes Gnadenruf.
[…]
Die gemeinsame heilige Messe mit un­serm „Rex“ [Re­gens Arnold Francken] zur lieben Mutter­gottes von Telgte war eine Zu­sammenfassung der einzelnen und gemeinsa­men An­liegen vor der Mutter der sieben Schmerzen.[2]
[…]
Die kommenden acht Tage sind ent­scheidend fürs ganze Leben. Mit Unserer Lieben Frau, unter ihre gnädige Fürbit­terhand wollen wir diesen unseren Lebensentscheid stellen.
[…]
alles lege ich voll Dank und Freude zu­rück in Gottes Hände durch Maria, die stille Königin meines Her­zens, bei der ich immer wieder ganz auffallend an den großen Entschei­dungspunkten Hilfe fand nicht nur, sondern sie schenkte sie mir ganz unver­dient. – Daß unsere Mutter uns alle ihr weihte[3], hat uns die­sen unverdien­ten Segen und Reichtum gebracht. Unter ihrem Schutz ist unsere Familie so herrlich auf­gegangen.
[…]
Die Exerzitien haben begonnen mit Gott und der heiligen Jungfrau! Fiat!

[1] Tau als Bild der Gnade, s. Gotteslob 1975 Nr. 103–105; Gotteslob 2013 Nr. 158, 231, 753
[2] 1. Maria bei Simeon, 2. Flucht nach Ägypten, 3. Verlust des Kindes in Jerusalem, 4. Kreuz­weg, 5. Kreuzigung, 6. Kreuzabnahme, 7. Grablegung. Damals feierte die Kirche am 15.9. das Fest „Sieben Schmerzen Mariä“, heute heißt es „Ge­dächtnis der Schmerzen Mariens“.
[3] Alle Kinder der Familie Wilhelm Leisner tragen den Beinamen Maria.

Im Mai 1939 war Karl Leisner noch einmal in Telgte und besuchte Vater Ludwig Vinnenberg.

Während seiner Gefangenschaft im KZ bleibt Karl Leisner der Gottesmutter in Telgte verbunden. Am 9. Dezember 1941 schreibt er an Walter Vinnenberg in Emmerich:
Bei Unserer Lieben Frau in Telgte, sag’ auch bitte meinen Treugruß, wenn Du heimkommst.

Link zu Aktuelles vom 15. März 2013

Link zu Aktuelles vom 22. Mai 2015

Text und Fotos: Christa Bockholt und Karl Leisner-Archiv