Otto Graf von Bismarck (* 1.4.1815 in Schönhausen, † 30.7.1898 in Friedrichsruh) – preußischer u. deutscher Staatsmann – Fürst von Bismarck-Schönhausen 1871 – Reichskanzler 1871 – wesentliche Beteiligung an der Gründung des Deutschen Kaiserreiches (Zweites Reich) 1871
Otto von Bismarck, 1886
Quelle des Fotos: Wikimedia Commons / Immanuel Giel CC BY SA 3.0 (abgerufen 06.04.2015)
Die Zeit vom 8. Januar 2015 brachte ein Gespräch mit Fritz Stern unter der Überschrift „»Was für ein Werdegang!« Ein Gespräch mit dem deutsch-amerikanischen Historiker Fritz Stern über das Vermächtnis des »Eisernen Kanzlers« und die Macht des Unbewussten“.
Link zum Artikel
Die F.A.Z. vom 27. März 2015 brachte eine ganze Seite von Peter-Philipp Schmitt unter der Überschrift „Der eiserne Student – Vor 200 Jahren wurde Otto von Bismarck geboren. Das wird auch in Göttingen gefeiert, wo der Corpsstudent einige Spuren hinterließ.“
Bevor sich Karl Leisner in der Schule, an der Universität und in seiner Bücherlese mit Otto von Bismarck auseinandersetzte, sah er Bismarck-Denkmale.
Hamburg, Mittwoch, 7. August 1929
Besichtigung der Großstadt Hamburg
[…]
Nun gings zum Bismarckdenkmal, wo wir die andern trafen. Höhe des Denkmals 36 m, der Figur 15 m, des Kopfes 1,83 m, Umfang desselben 5,25 m.
Vom Bismarckdenkmal gings durch die Altstadt (schöne alte Giebel) und noch ein paar Straßen zur Fischhalle.
Foto Fahrtenbuch von Hermann Mies
Bismarckdenkmal in Hamburg
überlebensgroße Statue (ca. 34 m) unweit der Landungsbrücken – größtes u. bekanntestes Bismarckstandbild weltweit – Einweihung nach fünfjähriger Planung u. Ausführung durch den Architekten Johann Emil Schaudt (1874–1957) u. den Bildhauer Hugo Lederer 1906
Berlin, Mittwoch, 21. August 1929
Erlebnisse in Berlin
[…]
Dann gings zum Reichstagsgebäude. Dies beschauten wir uns von außen und ebenso beguckten wir das Bismarckdenkmal. Dann gings zur Siegessäule, die wir bis oben bestiegen und besichtigten.
Bismarckdenkmal in Berlin
eines der größten Berliner Monumente – Höhe 15 m, Länge 20 m, Tiefe 12 m – 16.6.1901 feierliche Enthüllung am Königsplatz – seit 1938 am „Großen Stern“, dem zentralen Platz am Großen Tiergarten
Kaltenengers, Montag, 15. August 1932
Gegen 18.00–18.30 Uhr sind wir in Bingerbrück-Bingen. Wir begegnen einem Issumer Sturmschärler. Links liegt auf der andern Seite [in Rüdesheim] das mächtige Nationaldenkmal [Niederwalddenkmal – Germania].
Niederwalddenkmal in Rüdesheim
Erinnerung an den Sieg Deutschlands über Frankreich 1870/1871 u. die Gründung des Deutschen Kaiserreiches – Grundsteinlegung 16.9.1871 – Einweihung 28.9.1877 – Krönung durch die 10,5 m hohe, sich mit der Linken auf das Reichsschwert stützende u. in der Rechten die Kaiserkrone hochhaltende Germania
Quelle des Fotos: Wikimedia Commons / Author Martin Kraft (abgerufen 06.04.2015) CC BY SA 3.0
Bismarck-Nationaldenkmal auf der Elisenhöhe bei Bingerbrück-Bingen
Zu Beginn des 20. Jh. schossen Bismarckdenkmäler sozusagen aus dem Boden. Eine Marktlücke bestand darin, daß es noch kein spezielles für das gesamte Reich gab. Davon versuchten 1906 Gastwirte und Hoteliers aus Bingen und Bingerbrück für den expandierenden Tourismus am Rhein zu profitieren, indem man zum 100. Geburtstag des Kanzlers 1915 auf der direkt am Rhein gelegenen Elisenhöhe ein Bismarck-Nationaldenkmal plante. Das Vorhaben kam jedoch, u. a. wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges, nie zum Tragen.
Kleve, Dienstag, 10. Oktober 1933
Zweite Stunde beim Zeus [Dr. Karl Hofacker] Vertretung [statt Deutsch]. Wir fahren fort in der Besprechung über die deutsche Frage und Bismarcks Reich. Ich stelle Dürftigkeit der geschichtlichen Kenntnisse bei mir fest.
Freitag, 2. Februar 1934
Beginn des schriftlichen Abiturs
Und dann kam das Abitur. Junge, Ia! Lateinarbeit verbaut, sonst alles in Butter. – Stark aufgeregt war ich aber doch trotz äußerer Ruhe. In Deutsch „Gustav Eriksson Wasa“[1] – Was hab’n wir „gefloddert“! haha!
[1] Karl Leisners Mitabiturient Hermann Ringsdorff teilte mit, die beiden anderen Abiturthemenvorschläge seien „Bismarck“ und „Das junge Deutschland im Nationalsozialismus“ gewesen.
Referat 1935
Bald schon teilt sich der Wandervogel in die verschiedensten Gruppen und Bünde. Es ist kein Starker da, der den einheitlichen Lebenswillen in die Hand nimmt und führt und formt. Das alte deutsche Erbübel der Zwietracht und der Reichtum an Führerqualitäten im deutschen Jungvolk bedingen die Spaltungen und Absonderungen. Es zeigt sich darin aber auch die Fruchtbarkeit und der Reichtum des Lebens in deutscher Jugend.
Zunächst haben die Wandervögel, seien es Gymnasiasten oder Studenten, Buben und junge Männer in Kontor und Fabrik, hart zu ringen um ihr Ideal gegen das allmächtige Philister- und Bürgertum. (Bundesverbot an höheren Schulen) – Sie wehren sich aber tapfer. – Einige Bünde: Alt-Wandervogel – Kronacher Bund – Nerother Wandervögel – Greifenbund – Adler und Falken – Jungdeutscher Orden – Bismarck-Jugend – Freideutsche Jugend – Freischarjugend der Nation.
Katholische Jugendbewegung: Quickborn: Neisse (um 1905/6) Abstinenter Schülergruppenring, dazu stießen katholische Wandervogelgruppen.
Weitblickende katholische Priester nahmen sich der Gruppen an: Hermann Hoffmann – Klemens Neumann (Spielmann [Liederbuch „Der Spielmann“]) – Romano Guardini.
[…]
Eine der schönsten deutschen Kriegsdichtungen schuf einer aus der Jugendbewegung: Walter Flex „[Der] Wanderer zwischen beiden Welten.“ Nach dem Krieg dann bricht der unterbrochene Lebensstrom mit erneuter Kraft auf. Allüberall wieder neues Leben aus den Ruinen. – Quickborn hält gleich 1919 auf Rothenfels den ersten deutschen Quickborntag, der 1914 durch den Ausbruch des Weltkrieges verhindert wurde. Leider machte sich die parteipolitische Zerklüftung [in der Weimarer Republik] in der Jugend mehr und mehr auch geltend. Tüchtige Geschäftemacher und Organisatoren verstanden es, für ihre politischen Ziele und Ideologien den Idealismus der Jugend auszunützen. (Wehrverbände „Wehrwolf“ – Jgdo [„Jungdo“, Jungdeutscher Orden] – Bism-bd. [Bismarckbund – Bismarck-Jugend] – etc. Pazifistische Rote[1]).
[1] vermutlich Karl Leisners Bezeichnung für eine kommunistische Gruppierung
Münster, Samstag, 29. Januar 1938, Heiliger Franz von Sales[1]
11.00 Uhr Feier der Uni in der Stadthalle.[2] – Buntes Bild. – Hans Wahmhoff wird als erster Preisträger über „Kampf und Friede beim heiligen Paulus“ genannt.[3] Ich freue mich. Der Tag wurde „toll“ gefeiert im C. B. [Collegium Borromaeum]. – Vier Preisträger im Haus: Berni Kolckenbrock[4], Bernd Leusder[5] und Erwin Iserloh[6] (3. Kurs)!
[1] Seit der liturgischen Kalenderreform 1969/1970 wird das Fest des Bischofs und Kirchenlehrers Franz von Sales am 24.1. gefeiert.
[2] Die Stadthalle befand sich auf der Neubrückenstraße 63 neben dem heutigen Stadttheater in der Nähe der St.-Martini-Kirche.
[3] Hans Wahmhoff hatte seine bei Professor Max Meinertz geschriebene Wissenschaftliche Arbeit erweitert und als Preisarbeit bei der Universität eingereicht, um etwas Geld für sein Studium zu bekommen. Sie ist im Archiv des Collegium Borromaeum nicht mehr vorhanden.
[4] Bernhard Kolckenbrock hatte seine Preisarbeit mit dem Titel „Der Dreifaltigkeitssonntag in der Predigt“ 1938 bei Professor Adolf Donders geschrieben. Sie befindet sich im Archiv des Collegium Borromaeum und trägt vorne den handschriftlichen Hinweis „Homilet. Preisarbeit“ und hinten den Vermerk „Diese vorzügliche Arbeit wurde von der Kath. Theolog. Fakultät preisgekrönt. Münster 30. Jan. 38 sehr gut, Donders.“
[5] Bernhard Leusder hatte seine Preisarbeit mit dem Titel „Der Friede beim Heiligen Paulus“ 1937 bei Professor Wilhelm Vrede geschrieben. Sie befindet sich im Archiv des Collegium Borromaeum und trägt den handschriftlichen Vermerk „sehr gut, Vrede“.
[6] Der vierte Preisträger war Wilhelm Scheperjans. Er wohnte jedoch nicht im Collegium Borromaeum. Von Erwin Iserloh ist im Archiv des Collegium Borromaeum keine Preisarbeit vorhanden, und er wurde bei der offiziellen Preisverleihung auch nicht erwähnt.
Begrüßung des Rektors in der Feierstunde.
Nach der Begrüßung der Gäste erklärte Rektor Dr. Walter Mevius den jungen Semestern den Grund für diese Feierstunde in Erinnerung an den 30. Januar 1933 und den 18. Januar 1871:
Bis 1934 haben dann die deutschen Hochschulen am 18.1. ihre Reichsgründungsfeiern im wahren nationalen Geiste abgehalten. Mit Recht hat man 1935 den Tag der Machtübernahme durch Adolf Hitler, den 30.1. zum nationalen Feiertag der Universitäten erhoben; denn bedeutet die Tat Bismarcks die Vereinigung der meisten deutschen Staaten zu einem Bundesstaat mit dem deutschen Kaiser an der Spitze, ohne aber den Partikularismus der deutschen Fürsten, Länder und [..?..] beseitigt zu haben, so bedeutet die Tat unseres Führers, Adolf Hitler, die Schaffung eines einheitlichen Volksstaates. Da aber die Errichtung des Dritten Reiches ohne die Schaffung des Bismarck-Reiches unmöglich gewesen wäre, soll am 30. Januar auch der Reichsgründung durch Bismarck gedacht werden. […]
Um das wissenschaftliche Streben unserer akademischen Jugend zu fördern, werden alljährlich von den einzelnen Fakultäten unserer Westfälischen Landes-Universität Preisaufgaben gestellt. Nach altem Brauch werden an dem Tag, der der Erinnerung an den 18.1.1871 und an den 30.1. 1933 gewidmet ist, die Namen der Studenten bekanntgegeben, welche eine solche ausgeschriebene Aufgabe gelöst haben und dafür mit einem Preis ausgezeichnet werden konnten. Es ist erfreulich, daß die meisten Preisaufgaben des Jahres 1937 eine, zum Teil auch zwei Bearbeitungen gefunden haben, die eines Preises für würdig befunden werden konnten.[1]
[1] Universitätsarchiv Münster, Bestand 4, Akte E V 1, Bd. 6: 281
Im März 1938 begann Karl Leisner ein neues Heft „Bücherlese“ – Tagebuch Nr. 19.
Bücherlese. Notizen aus Büchern, Dichtungen etc. März 1938
Karl Leisner, Kleve – Münster
Über [Georg Wilhelm Friedrich] Hegels Einfluß auf das politische Geschehen:
Das gibt diesem Philosophen, der an Einfluß auf die Wirklichkeit und die Geschichte alle andern Philosophen Deutschlands in den Schatten stellt, seine hervorragende Stelle in der Geschichte des Individualismus. In seiner dialektischen Philosophie und vor allem Metaphysik, in seiner Rechts- und Geschichtsphilosophie gehört der Staat nicht der Ordnung soziologischer Werte, sondern der Seinsordnung an. Die Staatsidee hat hier die der Volksgemeinschaft völlig aufgesogen, der totale Staat ist hier die Selbstverwirklichung des göttlichen Weltgeistes in seinem ewigen Werdeprozeß und damit die Quelle des Rechtes selbst. Das bedeutete die Loslösung des Rechtes von der Moral, von der Lex aeterna in Gott, und die Verankerung des Rechtes in der jeweiligen Staatsgewalt. Es war das Ende und die letzte gedankliche Ausprägung einer langen, verhängnisvollen Geschichte. Denn in dem Zeitalter des Individualismus ist die heilige Idee des Rechtes der Menschheit mehr und mehr abhanden gekommen. Sie ist in der Zeit des fürstlichen Absolutismus und dann des gottlosen Staates verdrängt durch die sogenannte „Staatsraison“, die seitdem jedes Verbrechen rechtfertigen mußte, noch heute rechtfertigen muß. Der moderne Staat als solcher kennt die Forderungen des Gewissens deshalb nicht mehr. Die Idee des Rechtes hat sich auch für die Juristen seitdem in die des Staatsgesetzes verwandelt, – eine der verderblichsten Verwandlungen, die die Welt erlebt hat, und man kann das erproben an dem vergeblichen Bemühen des letzten großen Rechtsphilosophen [Rudolf von] Jhering, das Recht zu definieren. Seitdem gilt die Staatsgewalt und ihre physische Macht als Quelle des Rechts. Friedrich der Große, der in diesen Dingen völlig zynisch dachte, nannte die Armee die „Macht des Staates“. Sie ist es bis heute. Hegels Staatsauffassung hat die des Preußentums in neuester Zeit geschaffen, wie es die liberale Ära [Otto von] Bismarcks bewiesen hat.
([Miller, Otto: Der Individualismus als Schicksal, Freiburg/Br. 1933:] Seite 10)
Bücherlese
Paul de Lagarde 1875 (in „deutsche Schriften“[1]):
[…]
Paul de Lagarde hat eine Warnung ausgesprochen: er redet von dem ‚Gemachten‘ und ‚Geschaffenen‘, dessen er müde sei, er ersehnt das ‚Geborene‘ und hat damit das Wesen jener Volksgemeinschaft ausgesprochen, auf die es uns hier ankommt, diejenige also, die für die Dichtung fruchtbarer Boden ist, ihr nahrhafte Kost reicht, von ihr zur Tischgenossenschaft geladen und reich bewirtet wird. Die wird nicht gemacht, sie wird nicht einmal geschaffen, steht nicht auf Befehl da. Sie wird weder von Friedrich dem Zweiten, noch von Bismarck, noch von der preußischen Armee erzwungen. Sie wird geboren und wächst heran. … Auch der Faschismus hat die Wiedergeburt der nationalen Dichtung angekündigt. Was davon zur Welt gekommen ist, ist mit Einschluß des berühmten blasphemischen Hymnus auf das ‚sacro olio di Rhicino‘ [heilige Rizinusöl Alighieri] Dantes Vaterlands nicht würdig. Und so blieb nur übrig, den alten Heiden, Verächter und Verspotter des Christentums, den nicht allzu arischen Gabriele D’Annunzio zum poeta laureatus [mit Lorbeer geschmückten Dichter] des neuen Italien zu krönen. Ein anderes ist nationale Dichtung, ein anderes dichtender Nationalismus.“[2]
[1] Otto Miller:
Durchblättert man heute seine „Deutschen Schriften“, so stößt man in der Schrift „Über die gegenwärtige Lage des deutschen Reiches“ vom Jahre 1875 plötzlich auf ein paar Seiten, auf denen die Sehnsucht und der Schmerz des Mannes pathetisch durchbricht: … (Miller, Otto: Der Individualismus als Schicksal, Freiburg/Br. 1933: 41).
[2] Miller, O. 1933: 41–43