
Weihe ständiger Diakone am 26.11.2017 in Münster
Quelle des Fotos: privat
Am 25. März 1939 wurde Karl Leisner im Dom in Münster zum Diakon geweiht. Die Subdiakonenweihe am 4. März 1939 war für ihn entscheidender, weil damit bereits das Zölibatsversprechen verbunden war. Deswegen sind vermutlich seine Notizen über dieses Ereignis im Tagebuch Nr. 26 auch umfangreicher als über die Diakonenweihe.
Jahr der heiligen Weihen 1939
Januar 1939
Diurnale et Vademecum spirituale [Tagebuch und geistlicher Wegbegleiter]
A. D. 1939
Es beginnt das große, heilige Jahr der Weihen[1], das begnadetste Jahr des Lebens! „Herr, ich bin nicht würdig, daß Du eingehst in mein Haus, aber – sprich nur ein Wort, und Dein Knecht wird gesund!“ [vgl. Mt 8,8; Lk 7,6]
[1] Am 1. und 2.7.1938 hatte Karl Leisner die Niederen Weihen empfangen, für 1939 waren die Weihen zum Subdiakon, Diakon und Priester vorgesehen. Sobald der Termin für die Priesterweihe feststand, vermutlich bereits Anfang des Jahres, hat er diesen und auch die Termine der anderen Weihen in seinen Jungmannskalender eingetragen.
Karl Leisner aus Münster am 19. Januar 1939 an Walter Vinnenberg in Rheine:
Ja – und hier bereiten wir uns immer mehr und ernster auf den Tag der „Verlobung“[1] vor. Alles wird noch mal geprüft auf seine Tragfähigkeit und Festigkeit, damit das Haus des Lebens für Gott auf gutem Grund ruhe. [vgl. Mt 7,24–27] Und dann ist es auf einmal so weit, daß der Herr uns holt. Anfang März [am 4.3.] ist die Subdiakonatsweihe. – Die ersten Versuche mit dem Brevier machen Freude.[2] Die Pastoralstunden beim Hochwürdigen Herrn Regens [Arnold Francken] sind sehr fein. Das hat alles Hand und Fuß. – So stehen wir alle in unserm großen heiligen Weihejahr und sind voll guter Hoffnung und frohen Mutes im Vertrauen auf das gnädige Kommen Christi.
So bitte ich denn um Dein brüderliches Mitgebet wie auch ich Deiner großen Anliegen fürbittend gedenken will.
[1] Auf dem Weg zur Priesterweihe läßt sich die Weihe zum Subdiakon mit einer Verlobung auf dem Weg zur Eheschließung vergleichen.
[2] Mit der Weihe zum Subdiakon war damals die Verpflichtung zum Breviergebet gegeben.
Karl Leisner aus Münster (Priesterseminar) am Lichtmeßabend 1939 an Elisabeth Ruby in Radolfzell:
Ja, und wir jungen Männer schicken uns nunmehr an, uns auf die restlose Liebesweihe durch Christus an Gott in die Hand der Kirche, auf die Subdiakonatsweihe mit letztem Ernst vorzubereiten.[1] – Das Fundament wird vor Gott noch einmal einer letzten Prüfung unterzogen – und man wird sehr demütig, klein und bescheiden dabei. In Gebet und Opfer suchen wir uns für diesen Tag Gott gefällig zu machen. Und wir vertrauen auf Euer aller geschwisterliches Fürbittgebet. Ich besonders auf Deins!
Am 4. März ist die [Subdiakonen-]Weihe. (Quatembersamstag). Dann gibt’s 15 Tage Ferien. Am 25. März auf Mariä Verkündigung werden wir dann – so Gott will – Diakone. „Ecce ancilla …“ – (griechisch: διάκονη – Diakonin – Dienerin).[2] Mögen wir der reinsten Jungfrau ähnlich werden in selbstloser, gläubiger Hingabebereitschaft und an Fülle der Gnade! [vgl. Lk 1,28] Das sei unser gegenseitiges Gebetsanliegen fürnander.
[1] Damals wurde mit der Weihe zum Subdiakon das Zölibatsversprechen abgelegt, heute ist es bei Weltpriesterkandidaten mit der Diakonenweihe verbunden, bei künftigen Ordenspriestern mit der Profeß als Zölibatsgelübde.
[2] s. Lk 1,38, dort steht im Griechischen δούλη
– im Lateinischen ancilla Sklavin, Magd. διάκονη gibt es im Griechischen nicht und diacona auch nicht im Lateinischen. Karl Leisner hat diese weibliche Form von der männlichen Form διάκονος, diaconus abgeleitet.
Karl Leisner aus Münster am Mittwoch, 8. Februar 1939 an Willi Leisner in Bingen:
Unsere Subdiakonatsweihe ist am 4. März (Quatembersamstag). Dann bekommen wir siebzehn Tage Ferien. Am 25.3. (auf Mariä Verkündigung) werden wir dann zu Diakonen geweiht. In Altenberg brennen an diesem Tag unsere [Seminaristen-]Opferkerzen. Wir schickten [Ludwig] Wolker 25,00 Reichsmark dafür als Zeichen unserer Verbundenheit mit Maria und der Jugend der Kirche.
Münster, Dienstag, 14. Februar 1939
Ordinationseid unterschrieben. – Rex [Regens Arnold Francken] erklärte uns den Antimodernisteneid.
Münster, Freitag, 17. Februar 1939
Mit Todesbangen rückte mir die Frage auf den Leib: Wirst du ganz freien Herzens den Schritt des Subdiakonates [am 4.3.1939] tun – und bist du wirklich vollkommen und fähig dazu, die gewaltigen Spannungen und Kräfte, die in dir tosen und schäumen, so in Zucht und ausgeglichener Würde zu besitzen und zu hüten dein ganzes Leben bis zum Tode!
Unerbittlich streng wie der Tod ist das onus [die Last] des Subdiakonates. Es ist Tod – ja! Darstellung des Kreuzestodes Jesu Christi, des Sohnes Gottes und unseres Heilandes.
Nur in heldenmütigem Glaubensgeist kann ich dies unerhört schwere persönliche Opfer bringen und durchhalten! Ich glaube, ja, – aber stark und mächtig genug? Mein Glaube ist noch oft so selbstisch und liebeleer und tatenlos. – Kann ich auf meine natürliche leibliche Vollendung hier auf Erden verzichten? Auf die holde, süße Lebens-, Liebes- und Leibesgemeinschaft mit einer geliebten Frau! – Das ist nicht zu hoch einzuschätzen! Und erst auf die Ehe mit einer aufrechten Christin! O venerabile Sacramentum Caritatis! [O verehrungswürdiges Sakrament der Liebe!] – Spürbar und fühlbar ist dies herrliche Geheimnis der Liebe. Und ich habe eine sehr starke Liebeskraft in meinem Leibe. Tolle Liebeskraft, deren völlige, reine Beherrschung in Phantasie, Willens- und Gemütsschwung, Leibesergriffenheit mir sicher unendlich schwer wird. Und mir zur Zeit auch nicht gerade leicht ist.
„Ich könnte …“ – Und wenn ich dann bedenke, was ich dafür tausche – irdisch gesehen: Viel Misere und Krampf! – Ich sehe wirklich ein: Ich allein kann es auf keinen Fall. – Es kommt also alles an auf die göttliche Berufung und Führung, das heißt auf deine freudige Bereitschaft, auf deine frohe Glaubenseinwilligung zum göttlichen Dienstruf.
Gott ruft dich zu priesterlichem Opfer und Gebet.
Und wie wenig bin ich dazu wirklich begabt! Wie dünkelvoll, dienstunwillig, verkrampft, liebeleer, schwunglos, erbärmlich, faul und unfähig bin ich doch noch. – Wie tief steckt noch die Selbstverkrampfung von der …?…[1] her in deinen Gliedern. – Wie beglückt würde ich in das Geschenk einer guten Ehe willigen! Wie sehnt sich doch jeder Funke im Manne (= in mir!) nach dem Weibe, seiner Gehilfin und lieben Gefährtin.
Ja, es ist recht: Nicht heiraten ist schwer! Noch schwerer sei das Glücklichwerden in der Ehe, meinen viele und wohl nicht mit Unrecht!
Kann ich wirklich von mir sagen, es ist mir von Gott gegeben, es zu fassen. Kann ich tatsächlich mit vollem Recht Ja sagen, weil ich glaube, daß das „Wer es fassen kann, der fasse es“ [Mt 19,12] für mich zutrifft?
Die Spannung ist ungeheuer groß. Und alle dunklen, urmächtigen Stimmen der Tiefen im Blut bäumen sich noch einmal mit drängender Gewalt in mir auf. Wie wilde Tiere! Sie sollen edle Rosse werden, ich will sie zäumen. – Die Kraft will ich stauen und formen mit allem Aufwand an Wille und Gnade, der mir zu Gebote steht.
Vater, Schöpfer, Herr und Gott – ich will gehorchen Deinem Ruf, ich glaube an Deine gütige Vatersorge und Vorsehung, auch wenn ich sie nicht sehe und nicht immer handgreiflich spüre. – Du führe mich! Ich bitte Dich. – Du hast mich geleitet bisher, Du wirst mich weiter sicher geleiten an ein seliges Ende in den Hafen Deiner Liebe durch eine unselig-unrastige Erdenzeit. Erleuchte mein Gewissen! Durchforscher Du von Herz und Nieren! [vgl. Ps 7,10]
Durchwebe mein Gefühl! Du Weber aller schönen Bilder und Gedanken!
Durchglühe meinen Verstand! Du Geber aller Einsicht und Vernunft!
Durchwirke meinen Willen! Du Wirker aller Entschlüsse!
Scheide mein Herz! Du aller Entscheidungen Entscheidendster!
Sende Ruhe und Beherrschung in die kreisenden Bahnen meines Blutes!
Du herrschende Ruhe selbst!
Durchflamme meinen Leib und meine Seele mit der Urflamme Deiner persönlichen Liebe!
Komm, Heiliger Geist, ergreife und verbrenne mich in meiner Schwäche, laß schlagen daraus die Kraft und Flamme der Liebe, des Glaubens, der Hoffnung!
Du Gott bist die sichere Brücke über den Abgrund der eigenen Unsicherheit. – Festige mein todverfallenes Beginnen in Dir. – Du bist meine Liebe. Du! Da bin ich. Adsum!
Zum Teufel mit deiner Selbstsucht! Mit deiner Herrschgier, deinem Neid! Mit all deinem sündigen Krampf! Sic fiat! [So geschehe es!]
Lachend Lasten tragen – und froh leiden. Das gibt den rechten Klang des Herzens. Voll Freude und Leichtigkeit: Schlicht, wahr, fein und sauber!
[1] unverständliche Schriftzeichen
Münster, Samstag, 25. Februar 1939
Die acht stillen Tage vor dem Subdiakonat.
Kleve, Dienstag, 21. März 1939, Heiliger Benedikt
13.06 Uhr Kleve ab [nach Münster]! […] – 13.37 Uhr [in Goch mit der Boxteler-Bahn] weiter (Non – [bis] Komplet gebetet). Im Zug Matutin. Heiß. – Wesel/Niederrhein [über Haltern bis Münster] – Sechs Kragen gekauft.[1] – […] 19.00 Uhr Essen. Beginn der Exerzitien [vor der Diakonenweihe].
[1] vermutlich Priesterkragen (Kollar von collare (lat.) = Halseisen (als Strafe für Sklaven) – von Klerikern verschiedener christlicher Konfessionen getragener weißer, ringförmiger Stehkragen – Ursprünglich wurde das Kollar hinten zugeknöpft zu einem kragenlosen Hemd.)
Weihe zum Diakon
Münster, Mittwoch, 22. März 1939
P. Matthäus Schneiderwirth OFM. Erster Tag, Exerzitienthema: Christus und das priesterliche Leben. („spielen“)
Karl Leisner an seinen Bruder Willi im Brief vom 27. März 1939
Vor der Weihe hatten wir drei Tage stiller Einkehr. Pater Matthäus Schneiderwirth OFM hielt sie. Er hat früher im ND mitgearbeitet. War so ein richtiger froher Bruder des heiligen Franz. Mir haben die Tage recht zugesagt. Er betonte ganz die innere Verbindung mit Christus. Unser Leben sei gleichsam ein heiliges Spiel, in dem wir Christi Leben darstellen, noch einmal leben – in unserer Art und unserer Zeit. Zu diesem heiligen Spiel bedarf es der ganzen durchgeformten, eigenständigen und eigenartigen Persönlichkeit.
Karl Leisner aus Münster am 22. März 1939 an Elisabeth Ruby in Radolfzell:
Grüß Gott, Elisabeth!
Die glücklichen Abiturienten Heinz und Franz [Ruby[1]] brachten die Grüße aus dem Süden zu uns heim. Es war fein: Meine Schwester Paula hatte ihr Abitur gemacht, mein Bruder Willi seine Vorprüfung zum Ingenieur (in einem Jahr ist er fertig), und als dritter Freudenbringer gesellte sich dann der Subdiakon hinzu.
[…]
So bin ich denn recht an Leib und Seel’ gestärkt [am 21.3.] wieder her ins [Priester-]Seminar gefahren. Meine böse Zunge prägte zwar den Satz „an Frühlingsanfang zurück ins Treibhaus“[2], aber Du kennst ja meine Natur und nimmst mir’s deshalb nicht übel. Gewisse Dinge – ja alles – müssen wir Christen mit frohem Humor ertragen, wenn’s auch manchmal schwer fällt¸ umso mehr ist’s ja wert, wenn’s was ordentlich’s kostet!
Wie ich Dir für Deinen Wunsch, eine Brevierhülle zu arbeiten, danken soll, weiß ich nicht. Aber, weil Du es gerne tun willst, nehme ich Dein Geschenk dankbar an. Am liebsten wäre mir eine Hülle „ganz zum Schließen“. Das Formblatt geht mit zurück.
Am Samstagmorgen[, dem Fest Mariä Verkündigung am 25.3.,] sind wir vereint im Geiste der „Dienerin des Herrn“, Unserer Lieben Frau. Du bittest sie für uns alle hier, wenn Du auf den Lindenberg wallfahrtest und dort betest. Ich bin Dir dankbar. Maria möge Dir vergelten!
[1] Heinz Ruby, geboren am 4.3.1921, und Franz Ruby, geboren am 29.3.1922, waren in einer Klasse, denn Franz hatte eine Klasse übersprungen.
[2] = Seminar: von semen (lat.) = Samen – seminarium (lat.) = Pflanzschule, Baumschule – im kirchlichen Bereich gebräuchlicher Ausdruck für eine Ausbildungseinrichtung – z. B. Priesterseminar
Karl Leisner wurde im Dom zu Münster durch Bischof Clemens August Graf von Galen zum Diakon geweiht.[1] Damals nahmen keine Angehörigen an der Feier teil.
[1] Aus dem „Kirchlichen Amtsblatt für die Diözese Münster“:
Bischöfliche Pontifikalhandlungen
Der Hochwürdigste Herr Bischof Clemens August nahm im Jahre [1939] folgende bischöfliche Amtshandlungen vor:
[…]
25. März 1939, Diakonatsweihe im Hohen Dom (62 Alumnen des Priesterseminars, 4 Kamillianer) (KA 1940 – Nr. 1, Art. 15: 6).
Münster, Samstag, 25. März 1939
„non erit impossibile apud Deum …“ [„bei Gott ist es nicht unmöglich.“ (vgl. Lk 1,37)] Heilige Diakonatsweihe.
Karl Leisner aus Münster am 25. März 1939 an P. Josef Vermeegen SAC in Limburg:
Heute morgen bei unserer so schönen Diakonatsweihe im Hohen Dom durch die Hand unseres geliebten Bischofs [Clemens August Graf von Galen] war ich in Gebet und Mitfreude bei Dir. Die Haltung des Fiat, des gläubigen herrlichen Ja der ancilla Domini [Magd des Herrn (Lk 1,38)] möchte ich Dir als Gottesgeschenk für diese besonderen Gnadentage wie für Dein ganzes priesterliches Leben wünschen und erbeten. Es geht um die größere Liebe, um das bereitere Ja – und Deutschland wird der Herde Christi nicht verlorengehn, sondern ihr entscheidende Kräfte des Blutes und des Geistes, der Gnade und des Opfers zu schenken haben.
Um ein liebes, kleines, brüderliches Gedenken bei Deinem ersten heiligen Opfer, das Du feierst, bittet Dich von Herzen ein gnadebedürftiger Bruder im Herrn. Meine großen Lebensanliegen lege ich an diesem Tage auf Deine Patene! Zu all den andern.
Den Hochwürdigen Herrn Regens [Arnold Francken] um Erlaubnis für das „Diakonspielen“[1] bei Deiner feierlichen Heimatprimiz [in Goch] zu fragen, war noch keine Gelegenheit. Soweit ich [mich] umhörte, ist es nicht Sitte, dafür frei zu geben. So daß Du also wahrscheinlich mit meiner leiblichen Abwesenheit bei Deinem hochzeitlichen Feste rechnen mußt. Rechne also bitte nicht damit! – Versuchen will ich’s ja trotzdem. – Ein kleines Zeichen des Dankes und der Mitfreude möchte ich Dir am großen Festtag zu Ostern zukommen lassen. – Im Geiste bin ich bei Dir, im Geiste des Gekreuzigten und glorreich Auferstandenen.
[1] Assistenz des Diakons beim Levitenamt zur Primiz
Münster, Sonntag, 26. März 1939
Im ¾ Jahr bist du Christi Priester, denke täglich daran. Sei dankbar und bereite dich durch ein heiliges, würdiges Diakonat sec. [secundum] exemplum Christi, qui per Spiritum Sanctum semetipsum obtulit immaculatum Deo (Hebr 9,14) [gemäß dem Beispiel Christi, der sich selbst kraft ewigen Geistes Gottes als makelloses Opfer dargebracht hat].
Karl Leisner aus Münster (Priesterseminar) am Montag, 27. März 1939 an Willi Leisner in Bingen:
Lieber Willi!
Für Deine brüderlichen Heil- und Segenswünsche, Dein Gebet und Dein feines Bildgeschenk zur [Diakonen-]Weihe sei Dir herzlich Dank gesagt. Ich hab’ den „Jüngling“ vor mich hingehängt. Er soll mich an unsere Jünglingstage einst und jetzt gemahnen und an die Zukunftsarbeit für Christus in der Jugend, vor allem der jungen Männer. – Von meinen Mitbrüdern werden Deine Wünsche und Grüße zur Weihe dankbar erwidert. Sie sind alle erfreut über den Herrn cand. ing. und den Ingenieur „in spe“ [in Zukunft].
[…]
Am Karfreitag[, dem 7.4.1939,] darf ich im Hohen Dom dem Bischof bei den großen liturgischen Feierlichkeiten als Diakon zur Seite sein. Da muß ordentlich geübt werden. Ich freue mich sehr darauf.
Münster, Freitag, 7. April 1939, Karfreitag
Beim Bischof [Clemens August Graf von Galen] im Dom Diakon. Herrlich geklappt. – Compassio [Mitleiden mit] Christi war’s! Tief ergreifend.
Münster, Samstag, 8. April 1939, Karsamstag
9.30 Uhr in St. Mauritz [als] Subdiakon [assistiert bei der Osterliturgie]. (C [Celebrans]: Kaplan [Joseph] Dahlmann, D [Diakon]: Norbert Stammschröer)
Karl Leisner aus Münster (Priesterseminar) Samstag, 15. April 1939, an Friedrich Falkenstein in Neuß:
Lieber Opa!
Eigentlich solltest Du schon zu Ostern einen langen Brief haben; aber es ging wirklich nicht vor lauter Arbeit und weil ich mich nicht ganz gesund fühlte.[1] – So wünsche ich Dir und allen Lieben nachträglich noch eine frohe, gnadenreiche österliche Zeit. Grüße bitte alle Lieben in Neuß und Umgebung recht herzlich!
Auf Mariä Verkündigung, am 25. März, wurden wir von unserm lieben Bischof [Clemens August Graf von Galen] hier im Dom zu Diakonen geweiht. Es war eine erhabene Feier. Im wallenden Weiß der langen Alben zogen wir zu 62 jungen Subdiakonen mit brennenden Kerzen in Händen auf das hohe Chor. Vor dem Evangelium in der Messe fand die heilige Weihe statt.[2] Der Bischof ermahnte uns[3] und betete dann mit der ganzen Kirche über uns [die Allerheiligenlitanei]. Dann legte er jedem die rechte Hand aufs Haupt und sprach die heiligen Worte dazu: „Empfange den Heiligen Geist zur Kraft und zum Widerstand gegen die Versuchungen des Teufels!“[4] – Nach diesem eigentlichen Weiheakt, den schon die Apostel in den Urtagen der Kirche am jungen Stephan und seinen sechs Miterwählten vollzogen [vgl. Apg 6,1–7], wurden wir mit der Stola und der Dalmatika (dem Gewand des Diakons beim heiligen Meßopfer) bekleidet und empfingen das Evangelienbuch. (Das Evangelium darf der Diakon ja beim Hochamt singen, und er darf predigen.) – Bei der Opferung [Gabenbereitung] brachten wir dann jeder seine Opferkerze zum Altar in die Hand des Bischofs als Sinnbild des Dankes und unseres Lebensopfers für Gott. Es war eine wunderbare Feierstunde. – Sie hat uns im Heiligen Geiste nun schon so nahe an das Heiligtum geführt. Denn der Diakon ist ja der nächste Gehilfe des Opferpriesters am Altar bei der Feier der Eucharistie.
Am Karfreitag[, dem 7.4.1939,] durfte ich zum ersten Mal das Amt [des Diakons] ausüben: Unserm lieben Vater Bischof [Clemens August Graf von Galen] durfte ich bei der feierlichen Handlung im Dom als Diakon beistehen. Das war ganz herrlich. Es war zwar vorher viel Übung nötig und sehr lang und anstrengend (das denkt man sich vorher gar nicht so: Die meisten meinen, das sei so einfach und Spielerei; es ist aber wirklich Gottesdienst.) Um so schöner war aber das Mitfeiern der Erinnerung an Leiden und Tod unseres Herrn.
Am ersten Ostertag[, dem 8.4.1939[5],] habe ich dann in St. Mauritz auswärts zum ersten Mal Dienst [als Subdiakon] getan. Das war auch sehr schön. – So spürt man allmählich, wozu man da ist, und das ist wertvoll.
Jetzt noch eins Opa: Am 2. Mai feierst Du Deinen 80. Geburtstag. Diesen möchten wir festlich und froh begehen. Und zwar dachten wir so: Am 1. Mai abends „laufen“ die einzelnen „ein“ und werden bei den Verwandten „ausgebootet“, das heißt untergebracht. – Am Morgen des 2. Mai wohnen wir gemeinsam einer sogenannten „bestellten“ heiligen Messe [in Neuß, in St. Konrad bei den Alexianerbrüdern] in diesem Anliegen (wie spät?) bei, bei der ich Euch allen dann die heilige Kommunion spenden würde. Den Tag über würden wir dann schlicht und fröhlich ein wenig beisammen sein und Deinen Geburtstag recht froh und munter begehen.
Von Kleve werden sicher kommen Vater und Mutter, Maria und ich (vielleicht auch noch Willi von Bingen und Elisabeth). – Vielleicht schreibst Du mir bitte bald, ob wir zu viert bzw. sechst schon am Montag, den 1. Mai, gen Abend kommen können und wo Du uns „Quartier gemacht“ hast. Alles weitere findet sich dann ja!
Dann auf frohes Wiederhören und – darauf bald dann fröhliches, gesundes Wiedersehn! Mit guten, lieben Grüßen für Dich und alle Deine und unsere Lieben Dein Karl
[1] vermutlich Anzeichen der am 27.5.1939 festgestellten offenen Lungen-Tuberkulose
[2] Aus dem Weiheritus:
Die zu Weihenden sind mit Schultertuch, Albe, Zingulum (Gürtel) und Manipel (d. h. als Subdiakone) gekleidet und tragen auf dem linken Arm die Stola und die Dalmatika (d. h. das vom Diakon bei der Opferfeier gebrauchte Gewand), in der rechten Hand eine brennende Kerze.
Die Weihe beginnt nach Lesung der Epistel (Weiheritus 1939: 36).
[3] Nach der Vorstellung der Weihekandidaten hält der Bischof eine Ansprache, in der er die kommenden Aufgaben des Diakons beschreibt.
[4] Aus dem Weiheritus:
Accipe Spiritum sanctum ad robur et ad resistendum diabolo et tentationibus ejus. In nomine Domini. (Weiheritus 1939: 43)
[Empfange den Heiligen Geist zur Kräftigung, und um zu widerstehen dem Teufel und seinen Versuchungen, im Namen des Herrn.]
[5] gemeint ist die Osterliturgie am Karsamstagmorgen
Neuß, Dienstag, 2. Mai 1939
Zum ersten Mal in St. Konrad [in Neuß] (Alexianer[brüder CFA]) die heilige Kommunion gespendet (auch an m. [meine] Verwandten) – Feier von Opas [Friedrich Falkenstein] 80. [Geburtstag] und der Eltern [Wilhelm und Amalia Leisner] Silberhochzeit.
Willi Leisner am 2. Mai 1939 im Jungmannskalender:
WilliLeisner (1)
Opa 80 Jahre alt, 7.00 Uhr raus, ¼[8.00 Uhr] hl. Messe für Opa – Karl reicht uns als Diakon die hl. Kommunion – gemeinsamer Kaffee – Bernd Ruby tauchte auf […] – mit Karl zu Tante Mia und Onkel Heinrich [Brücken – …] 22.30 Uhr mit Onkel Clemens [Henning] per Motorrad zur Bahn [in Neuß] – [mit D-Zug] 22.51 Uhr los [Köln an 23.21 Uhr, Köln ab 23.29 Uhr] – 1.32 Uhr an Bingerbrück.
Karl Leisner durchlebte ein Diakonat, wie es bis dahin noch keines gegeben hatte. Am 25. März 1939 war er im Dom in Münster zum Diakon geweiht worden, und normalerweise wäre die Priesterweihe am Ende desselben Jahres erfolgt. Nun aber dauerte sein Diakonat bis zum 17. Dezember 1944.
Karl Leisner bekam in St. Blasien, wo er wegen seiner Tbc weilte, mit, wie seine Kursgenossen in zwei Partien am 6. August und 23. September 1939 zu Priester geweiht wurden.
Donnerstag, 9. November 1939
Mit dem Datum 9. November verbindet die deutsche Geschichte viele tiefgreifende Ereignisse.[1] Für Karl Leisner begann sein letzter und wichtigster Lebensabschnitt. Er überschritt einen „point of no return“, denn mit seiner Äußerung zum Attentat auf Adolf Hitler begann für ihn ein Weg ohne Umkehr. Es war ein Leidensweg, der ins Leben führte, obwohl er sich dessen damals nicht bewußt war. Er begann diesen Weg als Diakon und verließ ihn als Neupriester. Zu Beginn traf er als Gefangener auf den Spruch „Arbeit macht frei“[2] im Eingangstor zum KZ Sachsenhausen und zum KZ Dachau, am Ende trug man seinen Leichnam im Dom zu Xanten in die Krypta mit der Inschrift auf dem Eingangstor „Mors porta vitae – Der Tod ist das Tor zum Leben“.
[1] einige Beispiele:
9.11.1918 – Bekanntmachung der Abdankung des deutschen Kaisers Wilhelm II. durch Reichskanzler Prinz Max von Baden – Ausrufung der Republik von einem Fenster des Reichstagsgebäudes aus durch SPD-Politiker Philipp Scheidemann – Ausrufung einer Räterepublik nach russischem Vorbild vom Balkon des Berliner Schlosses aus durch Karl Liebknecht
8./9.11.1923 – Gedenktag der Gefallenen der NS-Bewegung (Hitler-Putsch in München)
9.11.1938 – Reichpogromnacht
9.11.1989 – Mauerfall in Berlin
[2] s. Riedel, Dirk: „Arbeit macht frei“. Leitsprüche und Metaphern aus der Welt der Konzentrationslager. In: Dachauer Hefte 22 (November 2006): Dirk 2006: 11–29
Karl Leisner freute sich während seiner Gefangenschaft und KZ-Haft über jede Gelegenheit, als Diakon wirken zu können.
Freiburg/Br., Montag, 25. Dezember 1939 [Missale[1]]
Weihnachten 1939
Im Gefängnis! Eine ganz herrliche Weihnacht! Am Vorabend kurze Feier. Matutin vom mysterium divinum redemptionis nostrae! [Matutin vom göttlichen Geheimnis unserer Erlösung!] – Anbetend knie ich vor dem Kripple[2], das Rubys Buben mir gefertigt.[3] – Ich decke den Gabentisch: überreich! – Omnibus de intimo corde ignosco. [Allen verzeihe ich aus innerstem Herzen.] – Hingabe an den Heiland ganz und ungeteilt. Das Apfelpaket von M. N. [? Schwester Marcella Nold aus St. Blasien] machte mir besondere Freude. Diese goldige Treue! In der kleinen Kapelle Vesper [vom] ersten Weihnachtstag. Heilige Messen[4] c. C. [mit Kommunionempfang]. – Heiligste Nacht! Dann feierliches Amt[5] mit ausgesetztem Sanctissimum [Allerheiligsten]. Canto Evangelium Johannis Germanice! (Quam diaconus). O grande joie! [Ich singe das Johannesevangelium in deutscher Sprache! (Als Diakon). O große Freude!] Stiller Tag der Einkehr.
[1] Da Karl Leisner im Gefängnis kein Tagebuch zur Verfügung hatte, schrieb er auf den freien Seiten seines Meßbuches.
[2] alemannische Form von Krippe oder Krippchen
[3] Mutter Elisabeth Ruby hatte Karl Leisner im Gefängnis besucht und ihm die Krippe, ein Geschenk ihrer Söhne, mitgebracht.
[4] Weihnachtsmessen:
Die drei Messen, die heute noch an Weihnachten jeder Priester feiern darf, wurden früher vom betreffenden Pfarrer nacheinander gefeiert. Die erste Messe, die sog. Christmette, war in der Regel ein Levitenamt, wobei Kapläne die Funktion des Diakons und des Subdiakons übernahmen. Nach Beendigung des Levitenamtes teilten die Kapläne die heilige Kommunion an die Gläubigen aus, während der Pfarrer die beiden anderen Messen las. Die Tradition hatte für die drei Messen an Weihnachten die Bezeichnungen „Engelamt“, „Hirtenamt“ und „Königsamt“, heute entsprechen diesen „In der Heiligen Nacht“, „Am Morgen“ und „Am Tag“.
[5] vermutlich die Messe „Königsamt – Am Tag“
Montag, 5. August 1940
Im KZ Sachsenhausen wurde eine Kapelle in Block 57 eingerichtet[1], so daß die Häftlinge ab Montag, dem 5. August 1940, dem Fest Maria Schnee, dort jeden Morgen die heilige Messe feiern konnten. Einen Meßkoffer hatte die Kommandantur des KZ zur Verfügung gestellt. Karl Leisner durfte als Diakon die Kommunion austeilen.
[1] Wilhelm Haas aus Kleve am 13.9.1975 an Kazimier Majdański in Włocławek:
Wir […] entdeckten, daß Karl einen Ehrenplatz im Fenster des internationalen Museums hat. Wo die Kapelle stand, liegt heute ein Gedenkstein Nr. 57.
s. Karl Leisner-Gedenken im ehemaligen KZ Sachsenhausen
Karl Leisner aus Sachsenhausen am Sonntag, 25. August 1940, an seine Familie in Kleve:
Ihr Lieben daheim!
[…]
Was die Zeit vergeht! Hier geht’s mir gut. Seit 5. August haben wir jeden Morgen Messe – und als Diakon darf ich Kommunion austeilen. Das ist ganz herrlich. So vergeht ein Tag wie der andere voll großer Freude und innerem Glück.
Kazimierz Majdański:
Ein starker Eindruck: Er [Karl Leisner] nahm als Hilfsschreiber die Personalien auf[1], und als er erfuhr, daß er es mit einem Kleriker zu tun habe, stellte er sich selbst als Diakon vor, doch vor allem stellte er sich mit seinen Worten und seiner Haltung als Mensch vor. An diesem ersten Tag unseres Aufenthalts unter Leuten, die toll von Haß und einer Massendämonie unterlegen waren, war das sehr viel.[2]
[1] Das Original dieses von Karl Leisner handschriftlich ausgefüllten Personalbogens befindet sich im Nachlaß von Bischof Kazimierz Majdański. s. Seligsprechungsprozeß: 1566
[2] Seligsprechungsprozeß: 1557
Richard Schneider:
Ich habe Karl Leisner (KL) am Tage seiner Ankunft im Konzentrationslager Dachau (Block 30) am 14.12.1940 kennengelernt. Ich war dort seit November 1940. KL wurde vom Lager Oranienburg-Sachsenhausen [KZ Sachsenhausen in Oranienburg] nach Dachau verlegt. KL war damals Diakon, wurde aber dem Priesterblock 30 zugeteilt. […] Wie allen in der Lagergemeinschaft begegnete er auch mir stets als „Bruder Immerfroh“. […] In der Hand hielt er dabei das Freiburger Diözesan-Gesangbuch „Magnificat“[1], das er auf irgendeine Weise in das Lager hatte einschmuggeln können. Wir waren darüber sehr froh, damit das erste Gesang- und Gebetbuch in unserem Priesterblock überhaupt zu haben, nachdem uns alles – auch Brevier und Rosenkranz – bei der Einlieferung abgenommen worden war.[2]
[1] Magnifikat. Katholisches Gebet- und Gesangbuch für die Erzdiözese Freiburg, Freiburg/Br. 1937
In dem im Nachlaß befindlichen Exemplar steht in der Handschrift von Wilhelm Haas:
28.8.1989 von H. Endres Breslauerstr. 23c, 8912 Landsberg, dem IKLK überreicht. Sohn des evangelischen Pfarrers Hermann Endres von Dachau.
[2] Seligsprechungsprozeß: 1445
Karl Leisner aus Dachau am Sonntag, 16. März 1941, an seine Familie in Kleve:
Meine lieben Eltern und Geschwister!
[…]
Am 25. dieses Monates bin ich zwei Jahre Diakon. Mit großer Dankbarkeit will ich diesen Tag begehen.
Karl Leisner aus Dachau am Freitag, 21. März 1941, an seine Familie in Kleve:
Ihr meine Lieben alle!
[…]
Am Sonntag feiern unsere Neugeweihten [u. a. Gerd Siebers aus Nütterden und Josef Schürig aus Bottrop] Primiz. Kommt Mutti [Mutter Elisabeth Ruby nach der Primiz bei Josef Schürig in Bottrop] bis Kleve? Das wär’ ja fein. Am 25.[3.] bin ich zwei Jahre Diakon. So schnell ist die Zeit der Krankheit und Gefangenschaft vorübergeeilt. Es war eine schöne, große Zeit inneren Wachstums trotz mancher äußeren Härte. In drei Wochen [am 11.4.] ist Karfreitag. Da hatte ich vor zwei Jahren meinen schönsten liturgischen Dienst als Diakon beim Bischof [Clemens August Graf von Galen] im Dom [in Münster].
P. Otto Pies SJ:
1941 […] war die Kapelle schon ein wenig besser eingerichtet. Aus Kisten und Blechbüchsen hatte man einen Altar mit Tabernakel gebastelt; selbstgefertigte Leuchter mit Kerzen standen auf dem Altar, und ein junger Kaplan [Alois Andritzki] aus Dresden hatte mit Wasserfarben auf zusammengeklebten Zeitungen ein großes Altarbild gemalt, das die Weihnachtsszene darstellte. Selten hat ein so primitives Bild soviel Freude und Andacht geweckt, wie dieses Weihnachtsbild in der armen Notkapelle der Baracke 26 im KZ. Es wurden sogar einige Paramente im Lager entdeckt, und die Priester hatten drei weiße Alben. Zwar war nur ein Meßgewand vorhanden, das vier Farben zeigte und für alle Werk- und Festtage den Gottesdienst verschönern mußte. Das genügte aber für einen schönen Weihnachtsgottesdienst nicht. Der Priesterchor hatte Lieder eingeübt, und das Weihnachtsfest sollte in ganz großem liturgischem Stil begangen werden. Und wirklich, es gelang. Die Lagerleitung hatte am Heiligen Abend eine Stunde Verlängerung gegeben und den Appell früher halten lassen. Da reichte die Zeit, um feierlich die Mette zu singen und ein Levitenamt zu halten. Der Celebrans mit dem einzigen Meßgewand stand am Altar mit seiner Armut und Einfachheit unter dem an der Wand befestigten Weihnachtsbild und zu seiner Seite rechts und links zwei Assistenten in zwei weißen Alben, weil keine Gewänder für Diakon und Subdiakon vorhanden waren. Schöner hätte man sich die Ausstattung beim Weihnachtsgottesdienst kaum denken können, als in langen, weißen Alben; und der Diakon, der den siebenhundert Priestern die Weihnachtsbotschaft kündete, war Karl Leisner. Strahlend und freudig vor Seligkeit sang er das Evangelium von der frohen Botschaft, „die allem Volk zuteil werden sollte“ [Lk 2,10]. Unvergessen ist es vielen geblieben, die sahen, mit welcher ergreifenden Andacht und Freude der Diakon an diesem Weihnachtsabend seines heiligen Amtes waltete. Niemals früher oder später hatte Weihnachten für alle, die es hier erlebten, seinen eigentlichen, tiefsten Sinn so herrlich offenbart wie bei dieser eigenartigen Weihnachtsfeier mitten im KZ. Diese Armut, dieses verstoßene Dasein, diese Verlassenheit und dabei solch kinderselige Freude in aller Armut; so mochte es wohl in Bethlehem gewesen sein, der ersten kalten Weihnacht im kalten Stalle, wo das göttliche Kind in weißen Linnen gehüllt erschienen war, die Armut der Menschen zu teilen, um allen den Reichtum des Himmels zu bringen. Selten hat man so frohe, glückliche Menschen gesehen, wie diese Gefangenen, die sich in seliger Freude im Dunkel der Lagerstraßen und der Armut der Stuben umarmten und einander beglückwünschten. Der glücklichste aber unter den frohen Menschen war Karl Leisner. Hatte er doch dem göttlichen Kind unter Brotsgestalt so nahe sein und das Geheimnis seiner Liebe mit ihm feiern dürfen.[1]
[1] Pies, Otto: Stephanus heute. Karl Leisner. Priester und Opfer, Kevelaer: Butzon & Bercker 1950: 136f. (zit. Pies 1950) 7. Auflage 2008 kommentiert von Hans-Karl Seeger
P. Otto Pies SJ:
Am Weihnachtsfest [1941] wurde zum ersten Mal im Lager die Christnacht religiös begangen mit feierlicher Mette und Levitenamt, arm wie in Bethlehem, aber auch jubelnd wie auf den Fluren, wo den Armen die frohe Botschaft zuteil wurde. Beim Amt war Karl Diakon. In weißer Albe – andere Paramente waren nicht vorhanden – stand er am Altar, in seiner strahlenden Freude erinnerte er an Stephanus, wie dieser hat er sein Leben dem Christkind angeboten.[1]
[1] P. Otto Pies SJ in: Weiler II 1982: 319
Karl Leisner aus Dachau am Sonntag, 11. Januar 1942, an seine Familie in Kleve:
Meine Lieben!
[…]
Wie prächtig habt Ihr daheim und in Goch dies Fest begehen können! Auch hier durften wir es in feiner Gemeinschaft einzig schön feiern. Als Diakon durfte ich dreimal im feierlichen Amt [in Albe] Altardienst tun: in der heiligen Nacht, am Weihnachtsmorgen und an Erscheinung [des Herrn] im weißen Freudengewand der Kirche. Das war das herrlichste Christgeschenk. Die dritte Gefangenenweihnacht war die schönste bisher. Ihr alle habt mir diese Gnade sicher mit erwirkt. An Silvester konnte ich aus freudigstem und dankbarem Herzen Te Deum singen.
Karl Leisner aus Dachau am Freitag, 6. März 1942, an seine Familie in Kleve:
Meine Lieben!
[…]
Am 25.3. bin ich drei Jahre Diakon. Würdet Ihr bitte in Kevelaer drei Kerzen anzünden: Die 1. als Dank fürs Amt, die 2. für den bisherigen Schutz, die 3. mit der Bitte um baldige Freiheit und Priestertum.
Karl Leisner aus Dachau am Donnerstag, 19. März 1942, an seine Familie in Kleve:
Meine Lieben!
[…]
Zum 25.3. [Diakonenweihe 1939] bin ich ganz besonders mit Euch verbunden.
Karl Leisner aus Dachau am Freitag, 3. April 1942, Karfreitag, an seine Familie in Kleve:
Meine Lieben!
[…]
Für die Freude zum 25.3. [Diakonenweihe 1939] meinen herzinnigen Dank. Mögen unsere Bitten sich nach des Höchsten Gnadenwillen erfüllen.
Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 9. Januar 1943, an Kaplan Ferdinand Stegemann in Kleve:
Lieber Herr Kaplan!
[…]
Jetzt bin ich bald vier Jahre Diakon, und da würde ich mich doch freuen, wenn die Priesterweihe dieses Jahr sein könnte. Mit meiner Gesundheit steht’s wieder sehr zufriedenstellend.
Karl Leisner aus Dachau am Freitag, 12. März 1943, an seine Familie in Kleve:
Meine Lieben!
[…]
Am 25. sind’s vier Jahre Diakonat. So vergeht die Zeit.
Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 22. Januar 1944, an Bischof Clemens August Graf von Galen in Münster:
Exzellenz, hochwürdigster Herr!
[…]
Am 25.3. sind’s fünf Jahre, daß ich aus Ihrer Hand das Diakonat empfangen durfte.
Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 23. September 1944, an Bischof Clemens August Graf von Galen in Münster und an seine Familie in Berlin und Kleve:
Exzellenz, Hochwürdigster Herr!
Im Namen der Mitbrüder, die sich mit mir über Ihren Brief herzlich freuten, Ihnen unser aller Dank und Treueverbundenheit in Gebet und Opfer. Heute möchte ich, nach Rück- und Fürsprache der lieben Confratres, Ihnen und dem hochwürdigen Herrn Regens [Arnold Francken], dem ich für seine festen Worte ebenso danke, eine große Bitte vorlegen. Es sind jetzt fünfeinhalb Jahre, daß ich [am 25.3.1939] Diakon wurde. Mein Sehnen und Beten geht nach dem Priestertum. Es ist, nachdem der Krieg unserer Heimat sein drohend Antlitz zuwendet, nicht gewiß, ob und wann ich die Weihe erhalten kann aus Ihren Händen, wie ich es am liebsten hätte. Es besteht zur Zeit die Möglichkeit, mich hier ausweihen zu lassen.[1] Dazu hätte ich gern Ihre Erlaubnis bzw. Ihr Nein. Geben Sie mir bitte über meinen Bruder [Willi] schriftlich Ihren Bescheid. In treuer Sohnesliebe Ihr Karl L.
Lieber Willi!
[…]
Den ersten Briefteil sende bitte postwendend mit einigen erklärenden und Grußworten an unseren Bischof. Er wohnt zur Zeit Überwasserkirchplatz 3, Priesterseminar.[2] Er möge bitte den [Sammel-]Brief an mich anfangen und das Notwendige vermerken darin. Um Deine und aller Lieben Zustimmung und Gebet für diesen Schritt möchte ich ebenso bitten. Näheres teile ich Dir und Euch dann – nach Erhalt des Bischofsbriefs mit Ja oder Nein – mit. Gott schütze uns alle und führe uns froh im Frieden wieder zusammen. Herzlichst!
Dein Karl
[1] süddeutscher Ausdruck für „die Priesterweihe empfangen“
[2] Das Bischofshaus war beim Luftangriff auf Münster am 10.10.1943 zerstört worden. Der Bischof war daraufhin zunächst ins Priesterseminar in die Wohnung von Regens Arnold Francken gezogen und am 14.10.1944 dann ins St.-Josef-Stift nach Sendenhorst. Dort wohnte er bis zum 18.12.1945.
Am 17. Dezember 1944 war Karl Leisners Diakonat beendet, weil er zum Priester geweiht wurde, wenn auch ganz anders, als er es sich ursprünglich vorgestellt hatte.
Der zu weihende Diakon trägt über seiner Häftlingskleidung Schultertuch, Albe, Zingulum, Manipel und Stola; auf dem linken Arm trägt er ein zusammengelegtes Meßgewand, das am Ende der Weihehandlung entfaltet wird, wenn der Bischof die Vollmacht zur Sündenvergebung erteilt, und in der rechten Hand eine brennende Kerze, die der Bischof bei der Gabenbereitung als Sinnbild der Opfergesinnung entgegennimmt.
P. Otto Pies SJ:
In der benachbarten Stube wurde Karl mit der weißen Albe und den Gewändern des Diakons bekleidet. Nun trug er über der Häftlingskleidung die weiße Albe, auf dem linken Arm das zusammengefaltete Meßgewand, in der rechten [Hand] die brennende Kerze. Der Bischof hatte inzwischen auch schon die für diese Feier heimlich hergestellten bischöflichen Gewänder angelegt. Unter dem Ornat schauten die Sträflingshosen hervor. […]
Dem Kirchenfürsten folgte bleich und erwartungsvoll der junge Diakon an den Altar, von dem Blockältesten [dem späteren] Domkapitular Reinhold Friedrichs, dem Lagerdekan Georg Schelling, den Ministranten und Freunden begleitet. Es war ein erschütterndes Bild.[1]
[1] Pies 1950: 168f.
Gedenkbildchen der beiden Kurshälften des Weihejahrgangs 1939
Wegen des Kriesgausbruches hatte man die für Dezember geplante Weihe auf September vorverlegt. Wäre Karl Leisner nach seiner Verhaftung im November freigekommen, hätte man ihn im Dezember nachgeweiht.
1939 entstandenes Foto von den beiden Kurshälften des Weihejahrgangs 1939
Karl Leisner befand sich damals im Lungensanatorium Fürstabt-Gerbert-Haus in St. Blasien.