Vor 80 Jahren – Karl Leisner und Hugo Ball

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Unglaublich, womit sich Karl Leisner schon als Gruppenführer mit seinen Jungen beschäftigt hat bzw. konfrontiert wurde.

Quelle des Fotos: Badische Zeitung / Foto: akg (abgerufen 06.08.2013)

 

 

Hugo Ball (* 22.2.1886 in Pirmasens, † 14.9.1927 in Montagnola/CH) – deutscher Schrift­steller u. Kulturkritiker – 1920 Rückzug in die Einsamkeit u. Beschäftigung in tiefer katho­li­scher Fröm­migkeit vor allem mit theologischen Studien

Vom 5. bis 19. August 1933 machten Karl Leisner und seine Jungen eine Fahrt nach Baltrum. Über die Fahrt führte er Tagebuch und schenkte dem Fahrtleiter Walter Vinnenberg eine Reinschrift.

Am Freitag, dem 11. August 1933, notierte Karl Leisner in sein Tagebuch:
19.30 Uhr Abendessen. Nach­her im Zelt, auf das es plästert [regnet], erzählt von Hyp­nose, Fakir­kunst, Spiritismus, Simeon dem Säulen­heiligen[1], Hugo Ball, Kirche (Exorzis­mus) etc. Ich schreibe jetzt beim Schein der Taschenlampe mein Tagebuch fertig. Gute Nacht ohne Durch­regnen! – Es regnet und knättert weiter auf die straff gespannten Bah­nen.
[1] Es gab zwei Säulenheilige, die Simeon hießen: Symeon Stylites der Ältere (389/ 390–459) und Symeon Stylites der Jüngere (521–592). Beide lebten auf Säulen, um dem Andrang durch die Besucher zu entgehen und so besser ihr aszeti­sches Ideal der Einsamkeit zu verwirklichen.

In der Reinschrift für Walter Vinnenberg heißt es:
Bis zum Abend­essen werfen wir noch Speer, Tennisring und Schlagball. Um 19.30 Uhr ist es. Nachher bezieht sich der Himmel mit grauen Wolken. Es fängt an zu reg­nen. Wir kriechen ins Zelt und las­sen den Regen ruhig draufticken. Teck-teck. Wir erzählen uns von Hypnose, Fakirkunst, Spiritismus, Selbsthypnose und kommen auf Simeon, den Säulenheiligen und damit auf Hugo Ball. Auch über den Exor­zismus sprechen wir. Nach dieser „spiriti­stischen Sitzung“ beten wir und legen uns hin zum Pennen. Ich schreibe noch etwas Tagebuch beim Schein der Taschenlampe, während es draußen lieblich auf die Zeltbah­nen regnet. Dann penne auch ich ein.

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Vermutlich hatte Walter Vinnenberg Hugo Balls Buch „Byzantinisches Christentum. Drei Heiligenleben, München/Leipzig 1923“ gelesen und mit den Jungen darüber gesprochen, weil er davon fasziniert war, wie ein Weg zurück zur Kirche verlaufen kann.

 

 

 

Die drei Heiligen sind: Johannes Klimakos, Dionysius Areopagita und Symeon Stylites.

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Johannes Klimakos (* vor 579; † um 649) wird in der Kunst als Asket und Greis mit einem langen Bart dargestellt, oft auch mit der Himmelsleiter.

 

 

 

 

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Dionysius Areopagita ist der Name eines von Paulus in Athen bekehrten Beisitzers des Areopags; er wurde später der erste Bischof von Athen (vgl. Apg 17,34)

 

 

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Die Säulenheiligen Symeon Stylites der Ältere (links) und Symeon Stylites der Jüngere (rechts)

Der als Sohn wohlhabender Bauern geborene syrische Asket Symeon Stylites der Ältere trat um 403 als getaufter Christ in das Kloster Eusebona bei Tell ’Ada ein. Im Februar 412 wurde er auf Grund seiner zu exzessiven Askese gezwungen, die Gemeinschaft zu verlassen. Er hatte sich innerhalb von zwei Jahren immer wieder eingraben lassen und sich dem Schlaf durch dauerndes Stehen entzogen.

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Die von Bernd Wacker kommentierte und 2011 in Göttingen herausgegebene Ausgabe des Buches von Hugo Ball wurde wie folgt beworben:

Ein Schlüssel zum Verständnis einer scheinbar widersprüchlichen Persönlichkeit – Hugo Balls »Byzantinisches Christentum« in der Fassung des Erstdrucks.

Seinem literarischen Nein von 1916 (»Dada«) und der politischen Generalabrechnung von 1919 (»Kritik der deutschen Intellektuellen«) ließ Hugo Ball 1923 mit seinem Buch »Byzantinisches Christentum« eine religionsgeschichtlich argumentierende Neubestimmung der eigenen Position folgen. Dieses eigentümlich sperrige Werk wurde von christlichen Theologen weithin mit Kopfschütteln und Unverständnis aufgenommen und trug selbst für wohlmeinende Freunde Züge des Skandalösen. Auch die literaturwissenschaftliche Forschung sollte sich später diesem Text verweigern. Der von Ball – auf Anregung Hermann Hesses – gewählte Untertitel, der das Buch der gängigen katholischen Hagiographie zuzuordnen scheint, tat ein Übriges, um das Werk weitgehend in Vergessenheit geraten zu lassen.
Die ausführlich kommentierte Neuausgabe, die erstmals auch Balls unveröffentlichte Tagebücher der Entstehungszeit berücksichtigt, enthält neben zeitgenössischen Rezensionen auch das bis dato ungedruckt gebliebene »Antoniuskapitel« aus dem Nachlass sowie den fragmentarischen Entwurf zu einem Vorwort. Es zeigt sich, dass ein angemessenes Verständnis von Leben und Werk Hugo Balls ohne die gründliche Auseinandersetzung mit dem »Byzantinischen Christentum« nicht möglich ist.
(URL http://www.wallstein-verlag.de/9783892447795-hugo-ball-byzantinisches-christentum.html – 10.6.2013)

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Buchbesprechung zu: Wiebke-Stock: Denkumsturz – Hugo Ball. Eine intellektuelle Biographie. Göttingen 2012

Bis heute hat Hugo Ball nicht an Aktualität verloren:
Die Tagespost vom 7. Mai 2013 titelte eine Artikel „Sprachkünstler in stürmischer Zeit. Am Anfang stand die Geste des Kulturprotestes: Hugo Ball denkt und glaubt sich zur Kirche zurück“ von Urs Buhlmann