Vor 85 Jahren, am 22. Oktober 1929, Umzug von Familie Wilhelm Leisner in Kleve

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Auch im neuen Haus hatten die Brüder Karl und Willi Leisner ein gemeinsames Zimmer.

 

v. l.: Elisabeth, Maria, Vater u. Paula Leisner

 

 

 

 

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Flandrische Straße mit Rot- und Weißdornbäumen im Wechsel

 

 

Karl Leisner:
Kleve, Dienstag , 22. Oktober 1929
Heute zogen wir um! – Der Umzug wurde auf einem offenen Wagen der Firma Hogmann vollzogen. – Ich ging nach der Schule eben gucken und fuhr dann mit dem Rad, das ich morgens mitgebracht hatte, nach [Familie Jakob] Schroers [Materborner Allee 8], wo ich den Tag über blieb. – Mittags gegen 15.00 Uhr wurde „Pussi“ mit dem einen jungen Kater (Möhrchen), den sie gerade hatte, in den Rucksack gesteckt und ins „neue Haus“ transportiert. – Um 19.30 Uhr fuhr ich von Schroers zum „neuen Haus“, wo ich heute zum er­sten Mal auf meinem schönen großen Zimmer schlief. – Ich schlief sehr gut allein auf meinem Zimmer; aber Willi, der in Süchteln ist, vermißte ich doch etwas. – Das war die erste Nacht im neuen Haus.

Wie eng die Brüder miteinander verbunden waren zeigt sich unter anderem auch darin, daß sie einander in ihren Tagebüchern lesen und sogar auch in diese hineinschreiben ließen.

Willi Leisner:
Anläßlich eines Besuches bei meiner Mutter in Kleve las ich in den kopierten Tagebüchern meines Bruders Karl.[1] Dabei stellte ich fest, daß im Tagebuch Nr. 3 (Jahre 1931/1932, laufende Nr. 6) die erste [zweite] und sechste Seite (Notizen über Lehrer, Missa solemnis und zwei Filme) durch Seiten aus einem meiner Tagebücher ersetzt waren. Dies muß nach der Beschlagnahme unserer Tagebücher in Kleve am 29. Okto­ber 1937 durch die „Geheime Staatspolizei“ in Münster erfolgt sein.[2]

[1]  Auf Veranlassung von Bischof Heinrich Tenhumberg hatte man Karl Leisners Tagebücher 1975 in Münster in siebenfacher Ausfertigung fotokopiert.
[2] Vermerk am 14.10.1981 für den Seligsprechungsprozeß

Das Blatt mit der Paginierung 5 und 6 gehört zum Tagebuch und ist nicht eingeklebt. Seite 5 ist von Karl Leisner beschrieben und Seite 6 von Willi Leisner. Somit kann die von Willi Leisner formulierte Vermutung bezüglich des Ersetzens durch die Geheime Staatspolizei nicht stimmen. Tatsächlich ist das zweite Blatt herausgetrennt und ein mit der Seitenziffer 2 gekenn­zeich­netes von Willi Leisner geschriebenes Blatt eingeklebt; dennoch setzt sich der Text auf Seite 3 inhaltlich in Karl Leisners Schrift fort.

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2014_10_22_Karl

Willi Leisners Schrift                                             Karl Leisners Schrift

Willi und Karl Leisners Einträge:
Was ich beim Durchstöbern meiner Notizen usw. aus früheren Jahren fand.
Notizen 1930/31.
Da sind zunächst die vier „Magisterbildchen“ aus der U II g. Nr. 1 stellt unse­ren Klassenleiter Studienrat Heisterkamp dar. Er war ein so­genannter „ge­mütlicher“ Lehrer, das heißt ein Faulenzer erster Klasse. Ich habe alles bei ihm verlernt. Er war mir wenig sympathisch! Nebenbei ge­sagt – war er ein gro­ßer Stutzer [Angeber] und Schaumschläger. Aber er meinte es gut! Auf Nr. 2 sehen wir unseren Zeichenlehrer Blees, ge­nannt Moses oder Sträfling. Er war ein komischer Mensch und wurde viel ver­äppelt. Wir ha­ben aber zeich­nen bei ihm gelernt. Das konnte er. Und es war doch fein – niesch?![1] wenn man so im Sommer mit [ihm] in der Stadt herumzog auf der Jagd nach Mo­tiven und sich dann hinstellte und lospottlotete [zeichnete[2]]! Feine Sache! Viel Spaß! Auch Buchbinden hab’n wir bei ihm gelernt. Er war gar nicht so übel, wenn man sich anständig bei ihm betrug und man ihn zu nehmen wußte. Ich glaub’, er ist ein wenig viel mit Unrecht „veräppelt“ worden. Seit vori­gem Jahr ist er „futsch“.

[1] vermutlich eine häufige Redewendung von Studienrat Blees
[2] Plattdeutsch: Pottlot – Bleistift

Da Karl und Willi Leisner die gleiche Art von Heften als Tagebücher verwendeten, war ein Vertauschen leicht möglich.

Fotos IKLK-Archiv