Errichtung als Musterbeispiel für alle deutschen KZ – Eröffnung 21.3.1933 – Eintreffen der ersten Gefangenentransporte 22.3.1933 – Zunahme des Anteils an jüdischen u. nicht-politischen Häftlingen ab 1936 – Einrichtung eines Schießplatzes zwecks Ermordung der Häftlinge durch die SS 1937–1938 – Räumung des Lagers zur Nutzung als Ausbildungsstätte für SS-Einheiten Herbst 1939 – Schließung 27.10.1939 bis 18.2.1940 – Verteilung der Häftlinge auf die KZ Buchenwald, Flossenbürg u. Mauthausen – Zusammenlegung von Geistlichen aller Religionsgemeinschaften ab 1940 – Befreiung des KZ durch die Amerikaner 29.4.1945 – Inhaftierung von SS-Angehörigen durch die US-Armee bis zum Abschluß der „Dachauer Kriegsverbrecherprozesse“ 1948 – Anschließend dienten die ehemaligen Häftlingsbaracken mehrere Jahre als Unterkunft für Flüchtlinge und „Displaced Persons“. 1960 wurde im ehemaligen Krematoriumsgebäude ein provisorisches Museum und fünf Jahre später eine „Gedenkstätte mit Museum“ eröffnet.
Am 21. März 1933 erschien in den Münchener Neuesten Nachrichten folgender Bericht:
Ein Konzentrationslager für politische Gefangene in der Nähe von Dachau
In einer Pressebesprechung teilte der kommissarische Polizeipräsident von München [Heinrich] Himmler mit: „Am Mittwoch wird in der Nähe von Dachau das erste Konzentrationslager eröffnet. Es hat ein Fassungsvermögen von 5.000 Menschen. Hier werden die gesamten kommunistischen und – soweit notwendig – Reichsbanner- und marxistischen Funktionäre, die die Sicherheit des Staates gefährden, zusammengezogen, da es auf die Dauer nicht möglich ist, wenn der Staatsapparat nicht so sehr belastet werden soll, die einzelnen kommunistischen Funktionäre in den Gerichtsgefängnissen zu lassen, während es andererseits auch nicht angängig ist, diese Funktionäre wieder in die Freiheit zu lassen. Bei einzelnen Versuchen, die wir gemacht haben, war der Erfolg der, daß sie weiter hetzen und zu organisieren versuchen. Wir haben diese Maßnahme ohne jede Rücksicht auf kleinliche Bedenken getroffen in der Überzeugung, damit zur Beruhigung der nationalen Bevölkerung und in ihrem Sinn zu handeln.“ Weiter versicherte Polizeipräsident Himmler, daß die Schutzhaft in den einzelnen Fällen nicht länger aufrechterhalten werde, als notwendig sei. Es sei aber selbstverständlich, daß das Material, das in ungeahnter Menge beschlagnahmt wurde, zur Sichtung längere Zeit benötigt. Die Polizei werde dabei nur aufgehalten, wenn dauernd angefragt werde, wann dieser oder jener Schutzhäftling freigelassen werde. Wie unrichtig die vielfach verbreiteten Gerüchte über die Behandlung von Schutzhäftlingen seien, gehe daraus hervor, daß einigen Schutzhäftlingen, die es wünschten, wie z. B. Dr. [Fritz] Gerlich und [Erwein] Frhr. v. Aretin, priesterlicher Zuspruch anstandslos genehmigt worden sei.
Aus dem Ausstellungskatalog zu Michael Kardinal von Faulhaber:
Bis zur Befreiung Dachaus durch die amerikanischen Truppen am Spätnachmittag des 29. April 1945 waren insgesamt 202.206 Gefangene registriert, von denen 31.591 den Tod fanden, wobei in dieser Zahl die Opfer der Massenerschießungen und Todesmärsche nicht eingerechnet sind.[1]
[1] Katalog: Kardinal Michael von Faulhaber 1869–1952. Eine Ausstellung des Archivs des Erzbistums München und Freising, des Bayerischen Hauptstaatsarchivs und des Stadtarchivs München zum 50. Todestag, München 2002: 349
Christian Frieling:
Unmittelbar nach der Verhängung des Ausnahmezustands, im Zuge der Machtergreifung, begannen die Nationalsozialisten mit der Verhaftung tausender politischer Gegner. Da die Gefängnisse nicht ausreichten, um die große Zahl der Gefangenen aufzunehmen, mußte an andere Unterbringungsmöglichkeiten gedacht werden. Nahe der Stadt Dachau wurde das erste Konzentrationslager – im Dienstgebrauch KL genannt – auf deutschem Boden errichtet. Das Gelände war während des Ersten Weltkrieges von einer Pulver- und Munitionsfabrik genutzt worden, die man jedoch später, bedingt durch die Auflagen des Versailler Vertrages, stillgelegt hatte.
Am 2. April [1933] unterstellte Heinrich Himmler das Konzentrationslager Dachau seinem persönlichen Kommando. Die bisher von der Polizei gestellten Wachmannschaften wurden von der politischen Hilfspolizei abgelöst, damit übernahm de facto die SS das Lager. Zwar blieb die offizielle Führung des Lagers in Händen der Polizei, die auch für die Schulung der SS-Mannschaften zuständig war, doch die tatsächlichen Umstrukturierungen hatten für die Häftlinge beträchtliche Folgen:
Das Kommando über das Häftlingslager lag in den Händen der SS. Lagerkommandant wurde der SS-Sturmhauptführer Hilmar Wäckerle. Der ehemalige Diplom-Landwirt begann mit der Errichtung des Dachauer Terrorregimes.
Das Lager selbst blieb zunächst weiterhin ein Provisorium. Durch die Einführung einer militärischen Ordnung versuchte man, das lagerinterne Leben zu organisieren. So waren die Häftlinge in Korporalschaften gegliedert. Auch die Lagerarbeit wurde geregelt: Die Gefangenen wurden zu Handwerks-, Ausbau- und Erdarbeitskolonnen zusammengefaßt, denen einzelne Häftlinge vorstanden. Diese „Capos“, wie sie von den Häftlingen genannt wurden, waren das Bindeglied zwischen den Häftlingen und der Lagerverwaltung. Eine solche Stellung konnte […] zu einer großen Machtfülle führen.
Unter Wäckerles Führung begann die SS mit der systematischen Schikanierung und brutalen Unterdrückung der Häftlinge. So galt in Dachau nun das Standrecht. Neu eintreffende Häftlinge wurden bei ihrer Ankunft geprügelt und zusammengeschlagen. Im Lager selbst verhängte man willkürlich Strafen.
Bereits am 12. April [1933] kam es zu den ersten Morden in Dachau. Vier jüdische Gefangene wurden von SS-Männern aus dem Lager geholt und „auf der Flucht“ niedergeschossen. Drei Opfer fanden den Tod, das vierte wurde schwer verletzt. In der chirurgischen Klinik in München berichtete der Mann von den Vorgängen, bevor er seinen schweren Verletzungen erlag. Daraufhin nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf, das Morden im Lager ging jedoch weiter. Auf Dauer ließ sich Wäckerle allerdings nicht mehr halten und wurde abgelöst.
Offenbar als Reaktion auf die bekannt gewordenen Todesfälle erschien im Juli 1933 eine Beilage zur Münchner Illustrierten Presse, die das Leben im KZ beschönigend darstellte. Gegenüber dem wirklichen Lagerleben wirkte diese wie Hohn. Sogar ein angeblich selbstgebautes Schwimmbassin sollte von „unbekümmerter, natürlicher Freude“ der Insassen zeugen. Bei Gesellschaftsspielen würden „Kindheitserinnerungen wach und lösen … Gefühle der Sorglosigkeit aus“. – Dies in einer Situation, in der das Leben der Häftlinge von der Sorge um das nackte Überleben geprägt war.[1]
[1] Frieling, Christian: Priester aus dem Bistum Münster im KZ. 38 Biographien, Münster, 21993: 12f.
Verordnung des Reichspräsidenten zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung vom 21. März 1933
Auf Grund des Artikels 48 Abs. 2 der Reichsverfassung wird folgendes verordnet:
§ 1
(1) Wer eine Uniform eines Verbandes, der hinter der Regierung der nationalen Erhebung steht, in Besitz hat, ohne dazu als Mitglied des Verbandes oder sonstwie befugt zu sein, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft.
(2) Wer die Uniform oder ein die Mitgliedschaft kennzeichnendes Abzeichen eines Verbandes der im Abs. 1 bezeichneten Art, ohne Mitglied des Verbandes zu sein, trägt, wird mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.
§ 2
(1) Wer eine strafbare Handlung gegen Personen oder Sachen begeht oder androht und dabei, ohne Mitglied des Verbandes zu sein, die Uniform oder ein die Mitgliedschaft kennzeichnendes Abzeichen eines Verbandes der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art trägt oder mit sich führt, wird mit Zuchthaus, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft.
(2) Ist die Tat in der Absicht begangen, einen Aufruhr oder in der Bevölkerung Angst oder Schrecken zu erregen oder dem Deutschen Reich außenpolitische Schwierigkeiten zu bereiten, so ist die Strafe Zuchthaus nicht unter drei Jahren oder lebenslanges Zuchthaus. In besonders schweren Fällen kann auf Todesstrafe erkannt werden.
(3) Nach diesen Vorschriften kann ein Deutscher auch dann verfolgt werden, wenn er die Tat im Ausland begangen hat.
§ 3
(1) Wer vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet ist, das Wohl des Reichs oder eines Landes oder das Ansehen der Reichsregierung oder einer Landesregierung oder der hinter diesen Regierungen stehenden Parteien oder Verbänden schwer zu schädigen, wird, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwere Strafe angedroht ist, mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und, wenn er die Behauptung öffentlich aufstellt oder verbreitet, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft.
(2) Ist durch die Tat ein schwerer Schaden für das Reich oder ein Land entstanden, so kann auf Zuchthausstrafe erkannt werden.
(3) Wer die Tat grob fahrlässig begeht, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bestraft.
§ 4
Wer die Mitgliedschaft eines Verbandes erschlichen hat, gilt für die Anwendung dieser Verordnung als Nichtmitglied.
§ 5
Diese Verordnung tritt mit dem auf die Verkündigung folgenden Tage in Kraft.
Berlin, den 21.3.1933.
Der Reichspräsident [Paul] von Hindenburg
Der Reichskanzler Adolf Hitler
Der Reichsminister des Innern [Wilhelm] Frick
Für den Reichsminister der Justiz Der Stellvertreter des Reichskanzlers [Franz] von Papen[1]
[1] Reichsgesetzblatt 1933 I: 135
Einer der ersten Häftlinge, der im KZ Dachau ermordet wurde, obwohl das KZ Dachau nicht zu den Vernichtungslägern gehörte, war Fritz Gerlich.
Siehe Aktuelles vom 31. August 2016 – Der Selige Karl Leisner bekommt Gesellschaft.
Über die Gefängnisse in Freiburg/Br. und Mannheim sowie das KZ Sachsenhausen kam Karl Leisner am 14.12.1940 ins KZ Dachau. Nachdem die Geistlichen im Laufe des Jahres 1940 dort zusammengelegt worden waren, führten sie ein Eigenleben in anfangs drei vom übrigen Lager abgetrennten Blöcken (26, 28 u. 30). In Block 26 wurde eine Kapelle eingerichtet. Karl Leisner lag aber seit 1942 die meiste Zeit im Revier, der Krankenstation des KZ. Am 29.4.1945 wurde das KZ befreit und am 4.5. kam Karl Leisner ins Waldsanatorium Planegg bei München.
Konzentrationslager (KL/KZ)
KL war die offizielle Abkürzung für Konzentrationslager, des schärferen Klanges wegen volkstümlich vielfach auch KZ abgekürzt, eingeführt von Kommunisten. Die Häftlinge gebrauchten die später übliche Abkürzung KZ und schrieben auch „Kazett“ oder „Kazet“.
Man muß unterscheiden zwischen „Konzentrationslager“ und „Justizlager“, entsprechend der Unterscheidung zwischen „Gestapo“ und „Polizei“. In ein Konzentrationslager kamen vorwiegend Schutzhafthäftlinge. Anlaß für die Verhaftung war in der Regel nichts Schwerwiegendes. Der Grund für die Inhaftierung bestand vorwiegend in der Gegnerschaft gegenüber dem Nationalsozialismus.
Am 2.1.1941 ordnete Heinrich Himmler zur Abstufung der Haft- und Arbeitsbedingungen eine Einteilung der bestehenden KZ in verschiedene Lagerstufen an.
Stufe I: Für alle wenig belasteten und unbedingt besserungsfähigen Schutzhäftlinge, außerdem für Sonderfälle und Einzelhaft, die Lager Dachau, Sachsenhausen und Auschwitz I (Letzteres kam auch zum Teil für die Stufe II in Betracht).
Stufe Ia: Für alle alten und bedingt arbeitsfähigen Schutzhäftlinge, die noch im Heilkräutergarten (Plantage) beschäftigt werden konnten, das Lager Dachau.
Stufe II: Für schwer belastete, jedoch noch erziehungs- und besserungsfähige Schutzhäftlinge, die Lager Buchenwald, Flossenbürg, Neuengamme und Auschwitz II.
Stufe III: Für schwer belastete, insbesondere auch gleichzeitig kriminell vorbestrafte und asoziale, d. h. kaum noch erziehbare Schutzhäftlinge, das Lager Mauthausen. Eine Einweisung in das als Stufe III kategorisierte Lager Mauthausen bedeutete dabei faktisch eine Verurteilung zur „Vernichtung durch Arbeit“ im dortigen Steinbruch.
Das KZ Dachau gehörte offiziell zur Stufe I, in Wirklichkeit entsprachen die dortigen Bedingungen für die Häftlinge aber eher denen der Stufe III.