Errichtung des KZ Dachau vor 85 Jahren

Modell des KZ Dachau (links: SS-Gelände, rechts: Häftlings-Gelände) Quelle des Foto: Wikimedia Commons / Author: Andrew Bossi / CC-BY-2.5 (abgerufen 24.02.2018)

Errichtung als Musterbeispiel für alle deut­schen KZ – Eröffnung 21.3.1933 – Eintreffen der ersten Ge­fange­nentrans­porte 22.3.1933 – Zunahme des Anteils an jüdi­schen u. nicht-politischen Häftlingen ab 1936 – Einrich­tung eines Schießplatzes zwecks Ermordung der Häft­linge durch die SS 1937–1938 – Räumung des Lagers zur Nutzung als Ausbildungsstätte für SS-Einheiten Herbst 1939 – Schließung 27.10.1939 bis 18.2.1940 – Ver­­teilung der Häftlinge auf die KZ Buchen­wald, Flossenbürg u. Maut­hausen – Zusammenlegung von Geistlichen aller Religions­gemein­schaften ab 1940 – Befreiung des KZ durch die Ameri­ka­ner 29.4.1945 – Inhaftierung von SS-Angehörigen durch die US-Armee bis zum Ab­schluß der „Dachauer Kriegsver­bre­cherprozesse“ 1948 – Anschließend dienten die ehema­ligen   Häftlingsbaracken mehrere Jah­re als Unterkunft für Flüchtlinge und „Displaced Persons“. 1960 wurde im ehemaligen Krematoriumsgebäude ein provisorisches Museum und fünf Jahre später eine „Gedenk­stätte mit Museum“ eröffnet.

Am 21. März 1933 erschien in den Münchener Neuesten Nachrichten folgen­der Bericht:
Ein Konzentrationslager für politische Gefangene in der Nähe von Dachau

MN (1)

In einer Pressebesprechung teilte der kommissarische Polizeipräsident von Mün­chen [Heinrich] Himmler mit: „Am Mittwoch wird in der Nähe von Dachau das erste Kon­zen­trations­lager eröffnet. Es hat ein Fassungsvermögen von 5.000 Menschen. Hier wer­den die gesamten kommunistischen und – soweit notwendig – Reichsbanner- und marxis­ti­schen Funktionäre, die die Sicherheit des Staates gefährden, zusammenge­zo­gen, da es auf die Dauer nicht möglich ist, wenn der Staatsapparat nicht so sehr belastet werden soll, die einzelnen kommunistischen Funktionäre in den Ge­richts­gefängnissen zu las­sen, während es andererseits auch nicht angängig ist, diese Funk­tionäre wieder in die Freiheit zu lassen. Bei einzelnen Versuchen, die wir ge­macht haben, war der Erfolg der, daß sie weiter hetzen und zu organisieren versu­chen. Wir haben diese Maßnahme ohne jede Rücksicht auf kleinliche Bedenken getroffen in der Überzeugung, damit zur Beruhigung der nationalen Bevölkerung und in ihrem Sinn zu handeln.“ Weiter versi­cherte Polizeipräsident Himmler, daß die Schutzhaft in den ein­zelnen Fällen nicht län­ger aufrechterhalten werde, als not­wendig sei. Es sei aber selbst­verständlich, daß das Material, das in ungeahnter Menge beschlagnahmt wurde, zur Sichtung län­gere Zeit benötigt. Die Polizei werde dabei nur aufgehalten, wenn dauernd angefragt werde, wann dieser oder jener Schutzhäftling freigelassen werde. Wie un­richtig die vielfach verbreiteten Gerüchte über die Behandlung von Schutzhäftlingen seien, gehe daraus hervor, daß einigen Schutzhäftlingen, die es wünschten, wie z. B. Dr. [Fritz] Gerlich und [Erwein] Frhr. v. Aretin, prie­sterlicher Zuspruch anstandslos genehmigt worden sei.

Aus dem Ausstellungskatalog zu Michael Kardinal von Faulhaber:
Bis zur Befreiung Dachaus durch die amerikanischen Truppen am Spät­nachmittag des 29. April 1945 waren insgesamt 202.206 Gefangene regi­striert, von denen 31.591 den Tod fanden, wobei in dieser Zahl die Opfer der Massenerschießungen und Todesmärsche nicht eingerechnet sind.[1]
[1] Katalog: Kardinal Michael von Faulhaber 1869–1952. Eine Ausstellung des Archivs des Erzbi­stums München und Freising, des Bayerischen Hauptstaatsarchivs und des Stadtarchivs München zum 50. Todestag, München 2002: 349

Quelle des Fotos: Karl Leisner-Archiv

Christian Frieling:
Unmittelbar nach der Verhängung des Ausnahmezustands, im Zuge der Macht­ergreifung, begannen die Nationalsozialisten mit der Verhaftung tausender politi­scher Gegner. Da die Gefängnisse nicht ausreichten, um die große Zahl der Gefan­genen aufzunehmen, mußte an andere Unter­brin­gungsmöglichkeiten gedacht wer­den. Nahe der Stadt Dachau wurde das erste Konzentrationslager – im Dienstge­brauch KL genannt – auf deut­schem Boden errichtet. Das Gelände war während des Ersten Welt­krieges von einer Pulver- und Munitionsfabrik genutzt worden, die man jedoch später, bedingt durch die Auflagen des Versailler Vertrages, still­gelegt hatte.
Am 2. April [1933] unterstellte Heinrich Himmler das Konzentrations­lager Da­chau seinem persönlichen Kommando. Die bisher von der Polizei ge­stell­ten Wachmann­schaften wurden von der politischen Hilfspolizei ab­gelöst, damit übernahm de facto die SS das Lager. Zwar blieb die offizi­elle Füh­rung des Lagers in Händen der Polizei, die auch für die Schu­lung der SS-Mannschaften zuständig war, doch die tatsächlichen Um­struktu­rie­rungen hatten für die Häftlinge beträchtliche Folgen:
Das Kommando über das Häftlingslager lag in den Händen der SS. La­ger­kommandant wurde der SS-Sturmhauptführer Hilmar Wäckerle. Der ehe­malige Diplom-Landwirt begann mit der Errichtung des Da­chauer Ter­ror­regimes.
Das Lager selbst blieb zunächst weiterhin ein Provisorium. Durch die Ein­führung einer militärischen Ordnung versuchte man, das lagerinterne Leben zu organi­sieren. So waren die Häftlinge in Korporalschaften ge­glie­dert. Auch die Lagerarbeit wurde geregelt: Die Gefangenen wurden zu Handwerks-, Ausbau- und Erdarbeits­kolonnen zusammengefaßt, de­nen einzelne Häftlinge vorstanden. Diese „Capos“, wie sie von den Häft­lingen genannt wurden, waren das Bindeglied zwischen den Häftlingen und der Lagerverwaltung. Eine solche Stellung konnte […] zu einer gro­ßen Macht­fülle führen.
Unter Wäckerles Führung begann die SS mit der systemati­schen Schika­nierung und brutalen Unterdrückung der Häftlinge. So galt in Da­chau nun das Standrecht. Neu eintreffende Häftlinge wurden bei ih­rer An­kunft ge­prügel­t und zusammenge­schlagen. Im Lager selbst ver­hängte man will­kür­lich Strafen.
Bereits am 12. April [1933] kam es zu den ersten Morden in Dachau. Vier jü­di­sche Gefangene wurden von SS-Männern aus dem Lager geholt und „auf der Flucht“ niedergeschossen. Drei Opfer fanden den Tod, das vierte wurde schwer verletzt. In der chirurgischen Klinik in München be­richtete der Mann von den Vorgängen, be­vor er seinen schweren Verlet­zungen erlag. Daraufhin nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf, das Mor­den im Lager ging jedoch weiter. Auf Dauer ließ sich Wäckerle aller­dings nicht mehr halten und wurde abgelöst.
Offenbar als Reaktion auf die bekannt gewordenen Todesfälle er­schien im Juli 1933 eine Beilage zur Münchner Illustrierten Presse, die das Le­ben im KZ beschö­nigend darstellte. Gegenüber dem wirklichen Lagerle­ben wirk­te diese wie Hohn. Sogar ein angeblich selbstgebautes Schwimm­bas­sin sollte von „unbekümmerter, natürlicher Freude“ der In­sassen zeugen. Bei Gesellschaftsspielen würden „Kind­heitserinnerun­gen wach und lösen … Gefühle der Sorglosigkeit aus“. – Dies in einer Situa­tion, in der das Le­ben der Häftlinge von der Sorge um das nackte Über­le­ben geprägt war.[1]
[1] Frieling, Christian: Priester aus dem Bistum Münster im KZ. 38 Biographien, Münster, 21993: 12f.

Verordnung des Reichspräsiden­ten zur Abwehr heim­tückischer Angriffe gegen die Regierung der na­tionalen Erhebung vom 21. März 1933

Auf Grund des Artikels 48 Abs. 2 der Reichsverfassung wird folgendes verordnet:
§ 1
(1) Wer eine Uniform eines Verbandes, der hinter der Regierung der nationalen Erhebung steht, in Besitz hat, ohne dazu als Mitglied des Verbandes oder sonstwie befugt zu sein, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft.
(2) Wer die Uniform oder ein die Mitgliedschaft kennzeichnendes Abzeichen eines Ver­bandes der im Abs. 1 bezeichneten Art, ohne Mitglied des Verbandes zu sein, trägt, wird mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft.
§ 2
(1) Wer eine strafbare Handlung gegen Personen oder Sachen begeht oder androht und da­bei, ohne Mitglied des Verbandes zu sein, die Uniform oder ein die Mitgliedschaft kenn­zeichnendes Abzeichen eines Verbandes der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art trägt oder mit sich führt, wird mit Zuchthaus, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft.
(2) Ist die Tat in der Absicht begangen, einen Aufruhr oder in der Bevölkerung Angst oder Schrecken zu erregen oder dem Deutschen Reich außenpolitische Schwierigkeiten zu be­reiten, so ist die Strafe Zuchthaus nicht unter drei Jahren oder lebenslanges Zuchthaus. In besonders schweren Fällen kann auf Todesstrafe erkannt werden.
(3) Nach diesen Vorschriften kann ein Deutscher auch dann verfolgt werden, wenn er die Tat im Ausland begangen hat.
§ 3
(1) Wer vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art auf­stellt oder verbreitet, die geeignet ist, das Wohl des Reichs oder eines Landes oder das An­sehen der Reichsregierung oder einer Landesregierung oder der hinter diesen Regierun­gen stehenden Parteien oder Verbänden schwer zu schädigen, wird, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwere Strafe angedroht ist, mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und, wenn er die Behauptung öffentlich aufstellt oder verbreitet, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft.
(2) Ist durch die Tat ein schwerer Schaden für das Reich oder ein Land entstanden, so kann auf Zuchthausstrafe erkannt werden.
(3) Wer die Tat grob fahrlässig begeht, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bestraft.
§ 4
Wer die Mitgliedschaft eines Verbandes erschlichen hat, gilt für die Anwendung dieser Verordnung als Nichtmitglied.
§ 5
Diese Verordnung tritt mit dem auf die Verkündigung folgenden Tage in Kraft.
Berlin, den 21.3.1933.
Der Reichspräsident [Paul] von Hindenburg
Der Reichskanzler Adolf Hitler
Der Reichsminister des Innern [Wilhelm] Frick
Für den Reichsminister der Justiz Der Stellvertreter des Reichskanzlers [Franz] von Papen[1]
[1] Reichsgesetzblatt 1933 I: 135

Einer der ersten Häftlinge, der im KZ Dachau ermordet wurde, obwohl das KZ Dachau nicht zu den Vernichtungslägern gehörte, war Fritz Gerlich.

Siehe Aktuelles vom 31. August 2016 – Der Selige Karl Leisner bekommt Gesellschaft.

Über die Gefängnisse in Freiburg/Br. und Mannheim sowie das KZ Sachsen­hausen kam Karl Leisner am 14.12.1940 ins KZ Dachau. Nachdem die Geistlichen im Laufe des Jahres 1940 dort zusammengelegt worden waren, führten sie ein Eigenleben in anfangs drei vom übrigen Lager abgetrennten Blöcken (26, 28 u. 30). In Block 26 wurde eine Kapelle eingerichtet. Karl Leisner lag aber seit 1942 die meiste Zeit im Revier, der Krankenstation des KZ. Am 29.4.1945 wurde das KZ befreit und am 4.5. kam Karl Leisner ins Waldsanatorium Planegg bei München.

Konzentrationslager (KL/KZ)
KL war die offizielle Abkürzung für Konzentrationslager, des schärfe­ren Klanges we­gen volkstümlich vielfach auch KZ abge­kürzt, eingeführt von Kommunisten. Die Häftlinge ge­brauchten die später üb­liche Abkürzung KZ und schrieben auch „Kazett“ oder „Kazet“.
Man muß unterscheiden zwischen „Konzentrationslager“ und „Justiz­la­ger“, entsprechend der Unterscheidung zwischen „Gestapo“ und „Polizei“. In ein Konzentrationslager kamen vor­­wie­gend Schutzhafthäftlinge. Anlaß für die Verhaftung war in der Regel nichts Schwer­wie­gendes. Der Grund für die Inhaftierung bestand vorwiegend in der Ge­gnerschaft gegenüber dem Nationalsozialismus.
Am 2.1.1941 ordnete Heinrich Himmler zur Abstufung der Haft- und Arbeitsbedingungen eine Einteilung der bestehenden KZ in verschie­dene Lagerstufen an.
Stufe I: Für alle wenig belasteten und unbedingt besserungsfähigen Schutzhäftlinge, außer­dem für Sonderfälle und Einzelhaft, die Lager Dachau, Sachsenhausen und Auschwitz I (Letzteres kam auch zum Teil für die Stufe II in Betracht).
Stufe Ia: Für alle alten und bedingt arbeitsfähigen Schutzhäftlinge, die noch im Heil­kräu­tergarten (Plantage) beschäftigt werden konnten, das Lager Dachau.
Stufe II: Für schwer belastete, jedoch noch erziehungs- und besserungsfähige Schutz­häft­linge, die Lager Buchenwald, Flossenbürg, Neuengamme und Auschwitz II.
Stufe III: Für schwer belastete, insbesondere auch gleichzeitig kriminell vorbestrafte und asoziale, d. h. kaum noch erziehbare Schutzhäftlinge, das Lager Mauthausen. Eine Einwei­sung in das als Stufe III kategorisierte Lager Mauthausen bedeutete dabei faktisch eine Verurteilung zur „Vernichtung durch Arbeit“ im dortigen Steinbruch.
Das KZ Dachau gehörte offiziell zur Stufe I, in Wirklichkeit entsprachen die dortigen Bedingungen für die Häftlinge aber eher denen der Stufe III.