Was haben Karl Leisner und Paul von Hindenburg gemeinsam?

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Hindenburg    Foto Wikimedia Commons

Ihre Ewige Ruhe ist sehr bewegt, ihre sterblichen Überreste waren lange unterwegs, ehe sie ihre endgültige Grablege fanden.

Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg (* 2.10.1847 in Posen/Poznań/PL, † 2.8.1934 in Neudeck/Podzamek/Ostpreu­ßen/PL) – General­feldmar­schall 27.11.1916 – Wahl zum Reichs­präsidenten 1925 – Wiederwahl als Gegenkandidat Adolf Hitlers 1932 – Am 30.1.1933 berief er Adolf Hitler zum Reichskanzler.

Hindenburg_GrabHans-Jürgen Schäfer beschreibt in der F.A.Z. vom 28. Dezember 2015 unter der Überschrift „Hindenburgs zweites Grab – Als 1945 die Rote Armee anmarschierte, mussten auch die sterblichen Überreste des Reichspräsidenten auf die Flucht. Wie aber kamen sie nach dem Krieg in die Marburger Elisabethkirche?“ den abenteuerlichen Weg der Leichname von Paul von Hindenburg und dessen Frau Gertrud nach Marburg.

Link zur F.A.Z. vom 28. Dezember 2015

In der Nordturmkapelle der Elisabethkirche in Marburg befindet sich das Grab des früheren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und seiner Frau Gertrud. Die ursprünglich in einer Gruft des Tannenbergdenkmals bei Hohenstein/Olsztynek/PL, aufgestellten Sarkophage, gelangten 1945 beim Herannahen der Roten Armee nach Bergung aus dem Denkmal auf abenteuerlichem Weg über die Ostsee und dann auf dem Landweg zunächst in die Gruft der Garnisonskirche in Potsdam, anschließend in den Stollen eines Salzbergwerkes ins Thüringische in die Nähe des Kyffhäusers und letztendlich nach Marburg.
Noch bewegter war der Weg der sterblichen Überreste von Karl Leisner von seinem Sterbeort, dem Waldsanatorium in Planegg, bis zu seiner heutigen Ruhestätte in der Martyrerkrypta des Xantener Domes.

2442_AufbarungKarl Leisner starb am 12. August 1945 in Planegg bei München.

Mutter Amalia Leisner:
Die Schwestern des Sanatoriums in Planegg haben Karl ein rotes Meß­ge­wand ange­legt, um anzudeu­ten, daß er wegen seiner Glaubensüber­zeu­gung vorzeitig den Tod erdulden mußte und so ein Blut­zeuge im wei­teren Sinne gewesen ist.[1]

[1] Seligsprechungsprozeß: 154

2884_Leichenschein_bUnter großen Schwierigkeiten erhielt die Familie die Erlaubnis der Militärregierung, den Leichnam nach Kleve zu überführen.

Elisabeth Haas[1]:
Am nächsten Tag [13.8.] baten [meine Schwester] Paula und ich in Krail­ling, dem Ort, zu dem das Waldsanatorium Pla­negg verwaltungsmä­ßig gehörte, bei der amerikani­schen Ver­waltung um einen Leichenpaß, der eine Über­schrei­tung der amerikanischen [und] fran­zösischen in die britische Zone ermög­li­chen sollte. In das Büro ein­tretend, waren wir zunächst sehr über­rascht, daß wir amerikanische Militärangehö­rige dort antra­fen, die die Füße oben auf dem Tisch hat­ten. Diese Haltung war uns fremd. Wir tru­gen dort unser Anlie­gen vor. Man wollte uns gleich abwei­sen. Aber wir beide gaben nicht nach, bis wir den Paß für die Über­stellung der Leiche unseres Bru­ders glück­lich in Hän­den hielten.[2]

[1] Elisabeth Juliane Maria Haas, geb. Leisner (* 14.8.1923 in Kleve, † 9.9.2014) – Am 29.9.1946 verlobte sie sich mit Wilhelm Haas und heiratete ihn am 28.5.1947. Sie ha­ben 9 Kinder. Nach dem Tod ihres Mannes (1993) über­nahm sie bis 2004 die Geschäfts­füh­rung des IKLK. Im Seligsprechungsprozeß 1981 und Martyrerpro­zeß 1990 für Karl Leisner hat sie als Zeugin ausgesagt.
[2] Haas, Elisabeth: Dokumentation vom 30. Januar 1991, (Manuskript): 6 (zit. Haas, E. 1991)

Die Überführung geschah unter schwierigen Umständen mit dem „Circus-Neunzig“[1] bis Wuppertal und dann mit einem Leichenwagen nach Kleve.

[1] Josef Neunzig (* 1.3.1904 in Bedburg bei Köln, † an den Folgen eines Auto­unfalls am 1.5.1965 auf dem Weg nach Dachau zu einem Treffen der Da­chau­prie­ster 4.8.1965 in München) – Priesterweihe 12.3.1932 in Trier – Die Nationalsozialisten wiesen ihn am 30.11.1939 aus dem Bistum Trier aus. Am 3.1.1941 wurde er Pfarrvi­kar in Halver (Erz­bi­stum Paderborn), dort aber am 23.8.1941 von der Gestapo verhaftet. Er kam wegen Jugend­seel­sorge, wegen Verstoßes gegen den Kanzelparagraphen u. Beschen­kens polni­scher Zivilar­beiter mit Zigaretten am 14.10.1941 ins KZ Dachau, wurde am 9.4.1945 ent­las­sen und kehrte am 29.5.1945 nach Halver zurück. Nach seiner Entlassung fuhr er meist mit einem Holzko­cher, einem mit Holz statt mit Benzin angetrie­benen Lastwagen, dem sog. Circus-Neunzig, nach München und trans­portierte ehema­lige Häft­linge und de­ren An­gehö­rige durch die amerikani­sche, französische und briti­sche Besat­zungszone nach Wup­per­­tal.

Heinz Römer[1]:
Wißt Ihr übrigens, daß es unserem unver­geßlichen Hans Carls[2] zu ver­dan­ken ist, daß Karl Leisners Leiche bald nach seinem Tod in die Heimat überführt werden konnte? Er und seine Sekretärin [Maria Husemann[3]], die auch gerade aus dem KZ heimge­kommen war, organi­sier­ten damals das Benzin und die Autos, die nötig waren, um die überle­ben­den Priester aus dem Sü­den [mit dem Circus-Neunzig] nach dem Nor­den zu bringen und dann auch Leisners Leiche.[4]

[1] Monsignore Heinz Römer (* 1.3.1913 in Ludwigs­hafen, † 13.4.1998) – Priesterweihe 4.7.1937 in Speyer – Er kam wegen Verteidigung des verleumdeten Bischofs Ludwig Seba­s­tian von Speyer am 21.2.1941 ins KZ Dachau, wurde am 9.4.1945 entlassen. Im Martyrerprozeß für Karl Leisner hat er 1990 als Zeuge ausgesagt.
[2] Caritasdirektor Hans Carls (* 17.12.1886 in Metz/Moselle/F, † 3.2.1952 in München) – Priester­weihe 24.6.1915 in Köln – Caritasdirektor in Wup­pertal 1924 – Er kam wegen staatsge­fährli­cher Predigten am 13.3.1942 ins KZ Dachau und dort später wegen Beförde­rung von Schwarz­post in den Bunker. Am 29.4.1945 wurde er aus dem KZ befreit.
[3] Maria Husemann (* 1.11.1892 in Elberfeld, † 12.12.1975 in Wuppertal) – Se­kre­tärin von Hans Carls – Sie war seinetwegen ins KZ Ravensbrück gekommen.
[4] Heinz Römer in: Stimmen von Dachau, Osterzeit 1966 – Nr. 5: 15

2490_LeichenpassDer Leichenpaß in deutscher, englischer und französischer Sprache hat fol­genden Wortlaut:
Ehemaliger politischer Gefangener!
Leichenpaß.
Die nach Vorschrift eingesargte Leiche des am 12. August 1945 zu Krail­ling an Lun­gentuberkulose ver­storbenen 30jährigen Priesters Karl Leisner soll mittels Leichen­auto von Krailling bei München nach Kleve/Nieder­rhein zur Bestattung gebracht werden. Nachdem zu dieser Überfüh­rung dem Begleiter der Leiche die Genehmigung erteilt worden ist, wer­den sämtliche Be­hör­den gebeten, deren Bezirke durch die­sen Lei­chen­trans­­port berührt werden, denselben unge­hindert und ohne Aufent­halt weiter­ge­hen zu lassen.
Krailling, am 13. August 1945.
Der Standesbeamte

Elisabeth Haas:
Das erste Seelenamt für Karl wurde am 14.8.45 – meinem Geburtstag – in der Kapelle des Sana­tori­ums von P. Otto Pies[1] gefeiert, und am 15.8. – dem Fest Mariä Himmelfahrt – star­tete der von Pfar­rer Neunzig organisierte „Treck“ – LKW und An­hänger – wie geplant gen Wuppertal. Wie eine wun­derbare Fügung der Gottes­mut­ter sahen wir diese Fahrt, bei der die Leiche im An­hänger mittrans­portiert wurde, an.[2]

[1] Pater Dr. Johannes Otto Pies SJ, Deckname im KZ Hans u. Spezi, (* 26.4.1901 in Arenberg, † 1.7.1960 in Mainz) – Eintritt in die Gesell­schaft Jesu in ’s-Heeren­berg/NL 14.4.1920 – Priester­weihe 27.8.1930 – Letz­te Gelübde 2.2.1940 – Am 31.5.1941 wurde er wegen eines Protestes gegen die Klo­steraufhebungen verhaftet. Am 2.8.1941 brachte man ihn aus dem Ge­fängnis in Dresden ins KZ Dachau, wo er die Häftlings-Nr. 26832 be­kam. Dort war er eine der ganz großen Prie­sterge­stalten. Am 27.3.1945 wurde er ohne Angabe des Grundes und ohne Be­dingung entlassen. Bereits im KZ und auch nach seiner Entlassung setzte er sich unermüdlich für Karl Leisner ein. Ohne ihn wäre es vermutlich nicht zur Priesterweihe im KZ gekommen.
[2] Haas, E. 1991: 6

Elfriede Mütter[1] aus Kleve am 18. August 2003 an Hans-Karl Seeger:
Heute vor 58 Jahren – am 18. August 1945 – wurde die Leiche Karl Leis­ners von einem privaten Bestattungsunternehmen von Wuppertal nach Kleve überführt.
Seine Mutter und seine Schwester Maria hatten den Treck [Circus-Neun­zig] mit Toten und Befreiten vom Lager Dachau [von Planegg] nach Wupper­tal begleitet und wurden an diesem Tag mit dem Bestattungs­wa­gen [eines Beerdigungsunternehmens aus Wuppertal] in Kleve erwartet.

[1] Elfriede (Friedi) Mütter (* 10.1.1920 in Kleve) – Gewerbelehrerin u. Studiendi­rektorin an den Berufsbildenden Schulen in Kleve 1942 – beste Freundin von Paula Leisner – Im Seligsprechungsprozeß für Karl Leisner hat sie 1981 als Zeugin ausgesagt.

 

2013_11_21_Birkenkreuz

Theo Köster[1]:
Seine [Karl Leisners] Beerdigung in Kleve war einige Wo­chen vor meiner Heimkehr [aus norwegi­scher Kriegsgefangen­schaft]. Ein Birken­kreuz aus dem Reichs­wald, in dem wir uns so oft gemeinsam über Gottes schöne Natur gefreut hatten, stand auf seinem Grab.[2]

[1] Theo (Thej) Köster (* 20.4.1914 in Kleve, † nach 1981) – Im Seligsprechungsprozeß für Karl Leisner hat er 1981 als Zeuge ausgesagt.
[2] Seligsprechungsprozeß: 205

 

 

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Grabstein statt Birkenkreuz
Am 19. Juni 1956 schrieb Vater Wilhelm Leisner aus Kleve an Heinrich Tenhumberg[1] in Münster, Johannis­straße 21:
Lieber Heini!
[…]
Seit Pfingsten ist Karls Grab­stein fertig, das Dich sicher interessieren wird. Photoapparat erwünscht […]; uns ist das Photographieren bis jetzt noch nicht ganz gelun­gen.

[1] Bischof Heinrich (Heini) Tenhumberg (* 4.6.1915 in Lünten, † 16.9.1979) – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster 1.5.1934 – Karl Leisners Schön­stattgruppen­führer im Collegium Borromaeum in Münster – Priesterweihe 23.9.1939 in Münster – Mi­litärdienst als Sanitäter (1943 in Stralsund) u. englische Kriegsgefangenschaft 1942–1945 – Vikar in Frecken­horst 1945–1947 – Dom­vikar 1947 – Domkapitular 1954 – Bi­schofs­weihe zum Weihbischof für das Bistum Münster 20.7.1958 – Bi­schof von Mün­ster 7.7.1969 bis 16.9.1979

Siehe auch Aktuelles vom 15. November 2013.

1. Reihe v. l. Mutter Amalia und Paula Leisner, Bischof Heinrich Tenhumberg, Willi und Maria Leisner; 2. Reihe r. hinter dem Bischof Wilhelm und Elisabeth Haas

1. Reihe v. l. Mutter Amalia und Paula Leisner, Weihbischof Heinrich Tenhumberg, Willi und Maria Leisner; 2. Reihe l. bzw. r. hinter Willi Leisner Wilhelm und Elisabeth Haas

l. bzw. r. hinter Willi Leisner

Karl Leisners Exhumierung in Kleve und Beisetzung in Xanten
Am 30. August 1966 erfolgte die Exhumierung der Gebeine von Karl Leisner in Kleve. Am Abend des 1. September 1966 hielt Weihbischof Heinrich Tenhumberg bei der Gedenkstunde auf dem Klever Friedhof eine An­sprache. Nach der Gedenkstunde fand die Überfüh­rung nach Xanten statt.

 

1966–1994

In einem feierlichen Gottesdienst eröffnete Bi­schof Dr. Josef Höffner[1] am Samstag, dem 3. Sep­tem­ber 1966, die Festwoche zur großen Viktortracht im Xantener Dom und setzte die Särge von Heinz Bello[2], Karl Leisner und Gerhard Storm[3] in der Krypta bei.

[1] Dr. theol. Dr. phil. Dr. rer. pol. Joseph Kardinal Höff­ner (* 24.12.1906 in Horhausen, † 16.10.1987) – Prie­ster­weihe 30.10.1932 – Bischofsweihe zum Bischof für das Bistum Münster 14.9.1962 – Bischof von Münster 1962–1968 – Erzbi­schof von Köln 1969–1987 – Kardi­nal 1969
[2] Heinz Bello (* 5.9.1920 in Breslau/Wrocław/PL, † hingerichtet 29.6.1944 in Ber­lin-Tegel) – Verurteilung zum Tode auf Grund einer Denun­zierung wegen seiner Äußerung vom 20.7.1943 „Die Laternenpfähle Münsters reichen nicht aus, um die Nazis und die Kommißköpfe daran aufzuhängen“ 18.4.1944 – postum Aufhebung des Todesurteils 1948 – Beisetzung des Leichnams in Berlin auf dem St.-Hed­wigs-Friedhof – Umbettung nach Wesel 1960 – Exhumierung 1966 – Bei­setzung in der Krypta des Xantener Domes 3.9.1966
[3] Gerhard Storm (* 1.4.1888 in Sonsfeld/Haldern, † 20.8.1942 im KZ Dachau) – Priesterweihe 8.3.1913 in Münster – Wegen einer Predigt wurde er am 11.1.1942 verhaftet und kam am 24.7.1942 ins KZ Dachau.

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Umbettung im Xantener Dom
Im Zusammenhang mit ei­ner Seligsprechung müssen die Gebeine nochmals gehoben werden. Das geschah im März 1994. Unter großer Anteilnahme wurde der Sarg an einer anderen Stelle der Krypta wieder beigesetzt.

Foto Gabriele Latzel

 

Paul von Hindenburg in Karl Leisners Tagebüchern:

Berlin, Mittwoch, 21. August 1929
Von hier [dem Arbeitsraum im Reichstagsge­bäude ging es] durch den Lesesaal und das prachtvolle Re­stau­rant in die Reichspräsiden­tenhalle, wo die Büsten von Ebert[1] und Hindenburg standen und ein ganz kostbarer Riesenkronleuchter.

[1] Friedrich Ebert (* 4.2.1871 in Heidelberg, † 28.2.1925 in Berlin) – Politiker (MSPD/SPD) – Leitung des Reichskanzleramtes nach dessen Übergabe durch Reichs­kanz­ler Prinz Max von Baden beim Sturz der Monarchie 9.11.1918 – Wahl zum 1. (vorläufigen) Reichspräsi­denten der Weimarer Republik 11.2.1919

Hindenburg_TagebuchKleve, Samstag, 26. April 1930
Hindenburg. Unser jetziger Reichspräsident. – Schon fünf Jahre waltet er gerecht und treu seines Amtes (siehe Bild und Zeitungsausschnitt!).

 

 

 

 

 

Kleve, Sonntag, 13. März 1932
Matthäuspassion von Bach[1], Wahltag Hinden­burg – Hitler
Matthäuspassion! – Wahltag (Reichspräsident!) – Hindenburg 17 Millio­nen [Wähler­stim­men]

[1] Johann Sebastian Bach (* 21.3.1685 in Eisenach, † 28.7.1750 in Leipzig) – Komponist der Barockzeit – Werke: u. a. die Matthäuspassion u. eine Suite a-moll (BWV 818) für Kla­vier od. Cembalo

Reichspräsidentenwahl. Paul von Hindenburg erreichte im ersten Wahl­gang nicht die erforder­liche absolute Mehrheit. Sein wichtigster Konkurrent, der NSDAP-Führer Adolf Hitler, erhielt 30,1% der Stimmen.

Kleve, Sonntag, 10. April 1932
Heute war auch die Stichwahl zwi­schen Hindenburg und Hit­ler. Hindenburg bekam 19 Millionen, Hitler 14 Millionen [Wähler­stim­men].

Zweiter Wahlgang zur Reichspräsidentenwahl. Paul von Hindenburg setzte sich mit 19,4 Millionen Wählerstimmen (53%) klar gegen Adolf Hitler mit 13,4 Mil­lionen (36,8%) durch.[1]

[1] Aus der Zeitschrift Die Wacht:
Wir wußten es ja: Kein anderer würde vom Volk gewählt als der alte Führer des Reiches, der Generalfeldmarschall von Hindenburg. Stolz darf katho­lische Jugend auf diesen Sieg sein; denn gerade in den katholischen Gegen­den unse­res Vaterlandes ist die absolute Mehrheit für den Reichspräsidenten geschaf­fen wor­den. Stärkste Träger des Kampfes waren nicht die alten, son­dern die jungen Men­schen. Es ging uns nicht um Parteipolitik, sondern ums gesamte Volk (Wacht 1932: 152).

Hindenburg_BrüningMontag, 30. Mai 1932
Dr. Brüning[1], unser tüchtiger Reichskanzler, fiel gemeinen Intrigen zum Opfer. Deutsch-„nationale“ [DNVP[2]] stänkerten bei Hindenburg wegen „Siedlungs­bolschewismus“ [planmäßiger Agrarwirtschaft] usw. So wurde das Vertrauen Hinden­burgs er­schüttert, und Brüning demissio­nier­te!![3]

[1] Dr. rer. pol. Heinrich Brüning (* 26.11.1885 in Münster, † 30.3.1970 in Ver­mont/USA, beigesetzt auf dem Zentralfriedhof in Münster) – nach dem Ersten Weltkrieg zunächst Ge­schäfts­füh­rer des Deutschen Gewerk­schaftsbun­des 1920–1930 – Mitglied der Reichs­tags­frak­tion der Zentrumspartei Mai 1924 – deren Vorsitzen­der De­zember 1929 – Reichs­kanz­ler u. Außen­minister 30.3.1930 bis 30.5.1932 – Ab Oktober 1931 er­reichte er als Außen­­mi­ni­ster Aufschub der Re­para­tionen, suchte in­nenpoli­tisch mit Notverordnungen voranzu­kom­men und lehnte Forde­rungen des Reichspräsi­denten Paul von Hin­denburg, die auf die Ein­führung ei­ner Diktatur hi­nauslie­fen, ab. Er hielt sich oft in Mari­en­thal bei We­sel auf; von dort aus floh er 1934 in die Nieder­lande und emi­grierte in die USA. Ab 1937 war er Profes­sor für Wirt­schafts­wis­senschaften an der Har­vard-Uni­versität und von 1950–1955 an der Universität Köln.
[2] Deutschnationale Volkspartei (DNVP) – Gründung 1918 – stärkste Rechtspartei der Wei­ma­rer Republik bis zur Reichstagswahl im Herbst 1930 – Selbstauflösung 27.6.1933
[3] Im Frühjahr 1932 schienen die Früchte der langen und nachdrücklichen außen­politischen Bemühungen Heinrich Brünings heranzureifen. Da ver­schlechterte sich die Lage im Innern. Paul von Hindenburg bedrängte den Kanzler, die Verla­ge­rung seiner Regierung nach rechts vorzunehmen, woraufhin dieser resignierte, denn er sah sich in seiner politischen Arbeit nicht bestätigt.

Kleve, Samstag, 28. Januar 1933
Auch das Zwischenka­binett von Schleicher[1] [2.12.1932 bis 28.1.1933] demissionierte bald und Hindenburg übertrug am 30. Januar 1933 die Kanz­lerschaft an Adolf Hitler.

[1] Kurt von Schleicher (* 7.4.1882 in Brandenburg an der Havel, † ermordet 30.6.1934 in Neubabelsberg) – General u. Politiker – Reichswehrminister 1932 – Reichs­kanzler 2.12.1932 bis 28.1.1933 – Ermordung durch die SS während des sog. Röhm-Putsches

Münster, Montag, 30. Januar 1939
Sechs Jahre sind seit jenem umstürzenden 30.1.1933[1] vergangen. Sechs Jahre einer Umwälzung von ungeheurem Ausmaß. Und wir leidend, schau­end, tuend in ihr. Herrgott, ich danke Dir für alles, trotzdem ich nicht ver­stehe … Führe gnädig Dein deutsches Volk.
O heilig Land der Völker – o Vaterland![2] Mein Deutschland – Großes Deut­sches Reich! Ich liebe dich. In Gott sei dir Friede!

[1] Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler durch Reichspräsident Paul von Hindenburg
[2] Friedrich Hölderlins Ode „Gesang des Deutschen“ (1799) beginnt mit den Wor­ten: „O heilig Herz der Völker, o Vaterland!“

nicht ausgewiesene Fotos IKLK-Archiv