Was würde Karl Leisner dazu sagen?

2013_07_08_DJH

 

Die Neuerfindung des Etagenbetts

 

Unter dieser Überschrift veröffentlichte die F.A.Z. vom 6. Juni 2013 einen Bericht über Veränderungen im Jugendherbergswesen.

Weil die Schulklassen zunehmend wegbleiben und die Wanderer schon lange keinen Jugendherbergsausweis mehr besitzen, versucht das DJH seit Jahren, Familien anzuziehen. Gekonnte Haussanierungen wie in Nürnberg, Berchtesgaden und Neuharlingersiel könnten jetzt den Durchbruch bringen.

Online-Version des Artikels unter FAZ.NET vom 4. Juni 2013 – Die Neuerfindung des Etagenbetts.

 

1909 öffnete auf Burg Altena die erste Jugendherberge ihre Pforten. Sie wurde weit über Deutschland hinaus bekannt.

Quelle des Fotos: Wikimedia Commons / Author: Dr. Gregor Schmitz / CC-BY-SA 2.0 de (abgerufen 14.06.2018)

 

Richard Schirrmann (* 15.5.1874 in Grunefeld/Ostpreußen, † 14.12.1961 in Grävenwies­bach/Taunus) hatte die Idee, gastliche Jugend­herbergen zu schaffen. Er schrieb 1910 in einem Aufsatz in der Kölnischen Zeitung:
„Jede Stadt und fast jedes Dorf hat eine Volksschule, die in den Ferien mit leeren Räu­men geradezu darauf wartet, in einen Schlaf- und Speisesaal für wanderlustige Kinder verwandelt zu werden. Zwei Klassenzimmer genügen, eins für Buben, eins für Mädel. Die Bänke werden teilweise übereinander gesetzt. Das gibt freien Raum zur Aufstel­lung von 15 Betten. […] Jede Lagerstatt besteht aus einem straff mit Stroh gestopften Sack und Kopfpolster, 2 Bettüchern und einer Wolldecke. Jedes Kind wird angehalten, seine Lagerstatt wieder fein säuberlich in Ordnung zu bringen.“

Karl Leisner hat noch erlebt, daß Schulen in den Ferien Klassenräume für Wanderer zur Verfügung stellten:
In Münster befand sich in den 1930er Jahren die „Jugendher­berge“ in der Hermannschule, Dahlweg 66 (s. Reichs­her­bergs­verzeichnis 1932). Heute befindet sich ein Jugendgästehaus am Aa­see. Auf Fahrten nach oder über Münster übernachtete Karl Leisner mit den Jungen seiner Gruppe in der Hermannschule:

Montag, 25. August 1930, auf der Spielfahrt nach Telgte
Über eine Apfel­straße ging es dann über Roxel nach Mün­ster. Unterwegs ging uns der [Leiter-]Wa­gen kaputt. In Mün­ster begegnete uns gegen 19.30 Uhr Cle­mens [Schulz], um 21.00 Uhr gin­gen wir zur Hermannschule schla­fen.

Dienstag, 29. März 1932, 1. Tag, auf der Fahrt nach Münster und Telgte
Um 20.30 Uhr zur DJH, wo uns die gelungene, gutmü­tige Herbergsmutter ein feines Zimmer besorgte.

Auf der Schweizfahrt 1932 gab es ähnliche Übernachtungen:

Dienstag, 16. August 1932, 3. Tag
Wir fahren ohne Licht noch bis ungefähr zur DJH im Gymnasium [am Barbarossa­platz]. Gegen 21.00 Uhr sind wir da. Voll! – Wir können Notla­ger bekom­men. Egal, man rin! – Schnell kocht Willi einen Pfef­fer­minztee, wäh­rend ich für Brot etc. sorge. Gegen 22.00 Uhr sind wir fer­tig. Es geht auf die schmutzigen Stroh­säcke. Verflixt, was’n Mückenloch. Die ganze Nacht quä­len die Biester einen. Ge­pennt haben wir aber doch so leidlich.

Auch 1933 auf der Fahrt nach Baltrum fand die Übernachtung in einer Schule statt:

Montag, 14. August 1933
Als wir nun mit dem „heiligen Bürokra­tius von Ol­den­burg“ quitt sind, fragt Walter freund­lich, ob wir nicht bis zur DJH [in Jever] wei­terfahren dürfen, weil wir sonst nicht mehr unter­kommen könnten, und der „schlaue Beamten­dämel“ sagt in sei­nem gesun­den, gutmütigen Men­schen­sinn Ja! – Wir lachen uns hinterher ‘nen Ast und machen unsre Glossen. Inzwischen sind wir in dem ruhig-freundlichen Jever ange­kommen. Durch die Straßen und an den Kanälen vorbei, die ruhig in hellem Mond­licht da­liegen, kommen wir zur DJH.[1] – Es ist noch ein Fen­ster hell. Wir klopfen an, und nach  geraumer Weile öffnet uns eine freundliche junge Frau. Wir stel­len die Räder hin, holen uns Decken und tippeln die Treppen­gänge des Schulgebäudes rauf bis zum Speicher. Die Tür aber ist verschlos­sen. Wir „bumsen“ und schlagen ge­gen die Tür, um den schlafen­den SA-Mann aus seinem faulen Bett zu be­kommen. Ver­gebens! – Einer rennt runter, und wir bekommen den andern Schlafsaal geöffnet. Jeder sucht sich sein Bett aus. Die „Schmierkolonne“ tritt in Aktion und macht Butterbrote am laufenden Band. Dazu gibt’s Him­beerwasser. Ein herrliches Souper für ausgehungerte Fahrtenbrüder­mägen. Um 24.00 Uhr zu mitternächtlicher Stunde sinken wir in die Betten und schlafen tief und fest, um uns für den kommenden Tag zu stärken.
[1] Bis 1932 gab es in Jever eine öffentliche einklassige Schule. Die Nationalsozialisten wollten sie bereits 1932 schließen, doch die Katholische Kirche übernahm sie als Private Schule. 1938 wurde sie dann geschlossen. In den Ferien diente sie als Jugendher­berge.

Dienstag, 15. August 1933, Mariä Himmelfahrt
Nach der Messe ist Walter zu seinem einsamen Mitbruder geladen. Ich gehe unterdes­sen schon zur DJH und sorge für Morgenimbiß und Packen. Um 10.15 Uhr fahren wir los. Wie­der fällt uns die schmucke Sauberkeit des Städtchens auf. Am Schloß [Jever] vorbei fahren wir aus der Stadt raus.

Karl Leisner hatte seine erste Begegnung mit einer „richtigen Jugendherberge“ in Nideggen.

Siehe Aktuelles vom 11. Mai 2013 – Das Eifelstädtchen Nideggen gelangte in die Schlagzeilen der Medien.