Wie beging Karl Leisner vor 75 Jahren das Fest Mariä Lichtmeß?

Das Fest „Mariä Reinigung“ oder „Lichtmeß“ am 2. Februar ist eines der ältesten Marienfeste. Ursprünglich ein Herrenfest, wird es seit der liturgischen Kalenderreform 1969/1970 auch wieder als solches gefeiert und zwar als „Darstellung des Herrn“, womit die „Präsentation“ Jesu im Tempel gemeint ist. Zum Brauchtum gehören Kerzenweihe und Lichterprozession

 

 

 

Karl Leisner schrieb am Donnerstag, dem 2. Februar 1939, in sein Tagebuch:

In der Nacht vor Mariä Lichtmeß war es mir sehr schwer ums Herz. Mit einer Wucht wie nie brach der Kampf um den ehrlichen Verzicht [auf Ehe und Familie] auf. Ich habe geweint, gefleht und gerungen. – Herrgott, ich lasse Dich nicht, bis Du mich segnest [vgl. Gen 32,27]. Das Opfer ist unbegreiflich hart und schwer, aber ich will es bringen, weil Gott mich gerufen hat zum Priester­tum Jesu Christi.
Am andern Morgen war ich im Dom zur Weihe der Lichter. Die brennende, sich verzehrende Wachskerze will ich in der Glut der göttlichen Sendung sein. Per Mariam in manus Jesu Christi. In manibus Mariae cum Jesu ad Patris oboedientiam! [Durch Maria in Jesu Christi Hände. In den Händen Marias mit Jesus zum Gehorsam dem Vater gegenüber!]
Beide Seelenströme flossen ineinander und brachen wieder auf in den nach­folgenden Tagen. – In der Schwebe liegt all unser menschlich Begin­nen. Unsre Entschlüsse sind von den Gefahren der Schwäche und Selbst­täuschung und den inneren Anfechtungen wie der des Satans, der so oft in letzter Zeit sub specie boni [unter dem Aspekt des Guten] an meiner Seelentüre pochte – ständig umdroht. – Dem Tod sind wir nahe, dem Nichts verwandt.
So bitte ich Dich, mein Herr und mein Gott, um letzten, tiefen Glauben an Deinen Sohn, den Du uns gesandt als Erlöser. Schenke in mein Herz Seine Opferliebe!
Antwort bekam ich in der heiligen Stunde Stille am 2.2. (Donnerstag [vor dem Herz-Jesu-Freitag]) abends. Alle Hemmungen, alles Seelenleid, allen Schmerz des Verzichtes legte ich in Christi Erlöserhände. – Seine Liebe rührte mich lebendig an, da ich kniend las das 7. und 8., das 13.–15. Kapitel Seiner Frohbotschaft nach Johannes.

Christus, Du mein Leben, Du mein Licht, Du meine Liebe! In den reinsten Stunden meines Herzens hast Du Deine Sendung in mich hineingepflanzt. Durch wilde Kraft und starkes Drängen der Natur hast Du den Beruf hin­durch­getragen. Ich vertraue Deiner Stimme mehr als der drängenden Stimme meines Blutes. Gebiete Du ihr Ruhe, wie Du einst den tosenden Wogen des galiläischen Meeres geboten! – Alle Kraft meines Leibes und meiner Seele, meines Geistes und Gemütes stelle ich heute in Deine Liebe. Präge, adle sie in Deiner Liebe und Gnade. Ich will nicht mehr mich selbst – nichts mehr – nimm Du mich ganz. Ich danke Dir für Deinen Ruf, laß ihn mich restlos er­füllen. Ich danke Dir für den Kampf, gib mir den Frieden.
Du hast über mich verfügt! Und mein blutendes Herz schließe ich ein in das Deinige, das für uns – für mich – am Kreuze verblutete. – Tilge meine Schuld, führe mich nicht mehr in Versuchung, stärke mich mit Deiner Liebe – und ich habe alles genug – in der Glut Deines Herzens. – Amen.
Einst schrieb ich in jugendlichem Idealismus: Christus, meine Leiden­schaft. – Heute schreibe ich – schrecklich ernüchtert, aber geklärt – Jesus Christus, meine Liebe, mein ein und alles. Dir gehöre ich ganz und unge­teilt! – So sei es!
Etwas für den Wettlauf im Stadion, das Erringen des Preises [vgl. 1 Kor 9,24]:
1) Pünktliche, eiserne Pflichterfüllung und Fleiß!
2) Selbstlos, einfältig, ohne Voreingenommenheit den Bruder anerkennen in seinen Vorzügen!

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Elisabeth Ruby mit Karl Leisner 1937 im Schwarzwald. Foto: Maria Leisner

 

 

 

Karl Leisner aus Münster (Priesterseminar) am Lichtmeßabend 1939 an Eli­sabeth Ruby in Radolfzell:
Heil Dir, Elisabeth!
Du hast mir das letzte Mal so fein von Deinem Christenleben erzählt, es hat mir recht Freude gemacht. Euer Leben dort [in Radolfzell] muß ja in der Vor- und Festzeit von Weihnachten wundervoll gewesen sein. – Den Brauch des Frauentragens[1] finde ich besonders fein. – Deine ersten Kateche­sen[2] werden ja ein Erlebnis für Dich gewesen sein – und soweit ich mir das im Geiste ausmalen kann und ich Dich kenne, auch für Deine klei­nen christ­lichen Zuhörer. An Vigil von Erscheinung des Herrn [am 5.1.] durfte ich meine erste Probekatechese vor Mädchen halten über das Festgeheimnis.[3] Im Geschich­tenerzählen gelang’s mir noch nicht, den „Ton“ der Mädchen­seele so ganz zu erlauschen. – Ja, die Mädchen sind und bleiben uns ja wohl in ih­rem See­lenbau immer besonderes Geheimnis. – Die Gottesmutter kann und wird uns Kündern der Frohbotschaft ihres göttlichen Sohnes wohl da­bei helfen. Und in Christus und im Heiligen Geiste gibt es ja auch den Un­ter­schied der Geschlechter nicht mehr, besser: er ist zu göttlicher Einheit überhöht [vgl. Gal 3,28].
Du stehst vor Deinen Endprüfungen. Wie schnell sieht sich der Weg rück­schauend an. – Wenn ich noch dran denke, wie Du begannst, und wie ich Dir beim Gesuch um Aufnahme [ins Seminar für Seelsorgehilfe in Freiburg/Br.] ein wenig behilflich sein durfte. Donner ja, was fliegt die Zeit!
Ja, und wir jungen Männer schicken uns nunmehr an, uns auf die restlose Liebesweihe durch Christus an Gott in die Hand der Kirche, auf die Sub­diakonatsweihe mit letztem Ernst vorzubereiten.[4] – Das Fundament wird vor Gott noch einmal einer letzten Prüfung unterzogen – und man wird sehr demütig, klein und bescheiden dabei. In Gebet und Opfer suchen wir uns für diesen Tag Gott gefällig zu machen. Und wir vertrauen auf Euer aller ge­schwisterliches Fürbittgebet. Ich besonders auf Deins!
Am 4. März ist die [Subdiakonen]Weihe. (Quatembersamstag). Dann gibt’s 15 Tage Ferien. Am 25. März auf Mariä Verkündigung werden wir dann – so Gott will – Diakone. „Ecce ancilla …“ –  Mögen wir der reinsten Jungfrau ähnlich werden in selbst­loser, gläubiger Hingabebereitschaft und an Fülle der Gnade! [vgl. Lk 1,28] Das sei unser gegenseitiges Gebetsanliegen fürnander.
Wie geht’s daheim? – Habt Ihr fein Weihnachten gefeiert? Soviel Freude wie dieses Jahr hat’s bei uns daheim kaum je gegeben. Es waren acht Tage (von Stefan ab [26.12.]) voll Jubel, Singen und Festesfreude! Voll Kraft, Freude und Gnade. Alle sind recht guter Dinge. Paula macht Abitur. – Maria läßt Dich herzlich grüßen.
Was macht Bernhard [Ruby]? Sag ihm bitte einen besonders treuen Gruß innerlicher Verbundenheit, wenn Du ihn triffst! – Will diesen Monat beson­ders brüderlich für ihn mitbeten beim Breviergebet, in das ich mich langsam „eingewöhne“. – Es macht mir Freude. – Und Gertrud [Ruby]? – Allen treue Grüße.
Dir für Deine Prüfungen des Heiligen Geistes Leuchtkraft und gesunden Verstand (– und gesunden Schlaf vorher)! In herzlicher Verbundenheit in oratione et caritate [in Gebet und Liebe] grüßt Dich
Dein Karl
NB Was gedenkst Du nach bestandener Prüfung zu tun? Erhole Dich doch mal eine Zeit bei uns am Niederrhein!

[1] Eine Marienstatue wandert von Haus zu Haus und verweilt dort jeweils einen Tag.
[2] Elisabeth Ruby unterstützte ihren Bruder Karl als Seelsorgehelferin in den Gemein­den Liebfrauen und St. Meinrad in Radolfzell.
[3] Die Katechese war am 9.1.1939.
[4] Damals wurde mit der Weihe zum Subdiakon das Zölibatsversprechen abgelegt, heute ist es bei Weltpriesterkandidaten mit der Diakonenweihe ver­bunden, bei künftigen Ordenspriestern mit der Profeß als Zölibatsgelübde.