Wie sich die Zeiten ändern!

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Foto IKLK-Archiv

Collegium Borromaeum in Münster mit Karl Leisners Zimmer

Die Münstersche Zeitung vom 28. Oktober 2014 überraschte mit der Schlagzeile „Damenbesuch ist erlaubt – Im Priesterseminar wohnen auch weltliche Studenten

siehe Link zur Münsterschen Zeitung

Vermutlich hätte sich zu Karl Leisners Zeit niemand träumen lassen, was sich im „Kasten“, wie die Studenten und die Münsteraner das Collegium Borromaeum nannten, alles ändern kann.
Wegen der enorm rückläufigen Zahl an Männern, die Priester werden wollen, haben das Priesterseminar und das Collegium Bor­romaeum in Münster 2005 fusioniert. Das Bi­schöfliche Priesterseminar Borromaeum befindet sich im ehemaligen Collegium Borromaeum am Domplatz 8. Nach dieser Zusammenlegung haben nun außer den Priesterkandidaten auch männliche Studierende anderer Fakultäten die Möglichkeit, dort zu wohnen. Auch „Damenbesuch ist erlaubt“.
Zu Karl Leisners Zeit durfte Damenbesuch nur im Besuchszimmer empfangen werden. „Heinrich von der Pforte“, wie die Studenten den Pförtner Heinrich Niemöller nannten, kam eines Tages zu einem Studenten in den vierten Stock und sagte: „Da ist ein Paket für sie.“ Der Student fragte: „Warum haben Sie es nicht mitgebracht?“ Antwort „Da ist noch ein Mädchen bei.“ – An der Pforte meldete sich eine junge Frau, die N.N. sprechen wollte. Sie erhielt als Antwort: „Den können Sie jetzt nicht sprechen, der muß studieren.“ Die Frau sagte: „Ich bin aber seine Mutter.“ Da bekam sie zu hören: „Was? Mutter sind Sie auch schon?“
Es war nicht nur streng reguliert, wer ins Haus hinein durfte, es war auch nicht immer möglich, problemlos hinauszukommen. Die Studenten hatten bis in die 1960er Jahre keinen Hausschlüssel. Da auch der Innenhof nachts durch ein Tor verschlossen war, gab es nach „Toresschluß“ keine reguläre Möglichkeit mehr, ins Haus zu kommen. Einige Zimmer im Erdgeschoß befinden sich allerdings außerhalb des Innenhofes. Diese Lage nutzten manche Studenten im Einvernehmen mit ihren darin wohnenden Kommilitonen, um spät abends noch ins Haus zu gelangen. So wußte sich auch bereits Karl Leisner zu helfen. Am 4. Mai 1935 schrieb er in sein Tagebuch:
Und heut’ abend war der DP [Diözesanpräses Heinrich Roth] zum ersten Mal im Bau! Nachher hab’ ich ihm mit Jupp K. [Köckemann] den [? Vervie­l­fältigungs-]Apparat wie­dergebracht. – Da hat er uns noch Feines erzählt. Nachher sind wir bei Franz Kötters eingestiegen ins Collegium Borromaeum. Oh . . . .!

Um mit dem Nachtzug nach Kleve zu fahren, bediente Karl Leisner sich dieser Möglichkeit laut Tagebuch am 20. Juni 1935 auch in umgekehrter Richtung:
Am Donnerstag 4.23 Uhr ab Münster. – (Vorher 3.10 Uhr raus. Bei Kötters durchgestiegen. Am Servatiiplatz heilige Messe vorbe­reitet. Im Zug Philosophie studiert.) 6.00 Uhr Wesel. 7.35 Uhr zu Hause. 8.00 Uhr Hoch­amt, feierlich mit goldener Hochzeitsfeier.

Ebenfalls bis in die 1960er Jahre reglementierte man das Verhalten der Theologiestudenten auch außerhalb des Hauses. So war ihnen zum Beispiel verboten, Gaststätten in der vom Promenadenring umschlossenen Altstadt zu besuchen. An wenigen Abenden war während des Semesters ein Theater- oder Konzertbesuch möglich, man mußte aber spätestens eine halbe Stunde nach Ende der Veranstaltung wieder im Haus sein.

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Kapelle im Collegium Borromaeum

 

 

 

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Studentenzimmer im Collegium Borromaeum

 

 

 

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Priesterseminar

 

 

untere Fotos aus der Diaschau von Willi Leisner