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Scheffel-Denkmal am Scheffelplatz in Karlsruhe. Geschaffen 1892 von Hermann Volz
Joseph Victor von Scheffel (* 16.2.1826 in Karlsruhe, † 9.4.1886 ebd.) – Dichter und Verfasser bekannter Studentenlieder – bekannteste Erzählung: „Ekkehard“ – Sie befindet sich im Nachlaß von Karl Leisner.
Victor von Scheffel: Ekkehard. Eine Geschichte aus dem zehnten Jahrhundert, Berlin W 50 o. J.
Am 3. Juli berichtete Rüdiger Soldt in der F.A.Z. in der Rubrik Streifzüge einleitend:
Schon früh wurde Karl Leisner mit dem Stoff der Ekkehard-Erzählung konfrontiert. Am 4. März 1932 war sie Thema einer Klassenarbeit:
Klassenaufsatz.
Wie Ekkehard, der lebensfremde Mönch,
zu einem lebensnahen Dichter wurde.
Nach Victor von Scheffels „Ekkehard“.
Lebendig sehen wir ihn vor unsern Augen, den frommen, weltweisen, doch – ach so wenig noch lebenserfahrenen Benediktinermönch Ekkehard. Ja, er ist fürwahr ein gelehrter, weiser Mensch; denn er hat viele, von Weisheit triefende Bücher gelesen und studiert. Er überragt an Gelehrsamkeit, Bildung und Geistesschärfe alle andern Mönche. In der Klosterschule ist er den heranwachsenden Mönchlein ein kluger, sicherer Führer durch die „gefährlichen, rauhen Hohlwege“ alter lateinischer Schriften. Er weiß die Schüler vortrefflich über die Schwierigkeiten Vergils und Aristoteles’ hinwegzubringen. Kurz, er ist ein Mönch, wie er sein soll, eine Zierde des Klosters. Nur, – ach, nur einen Fehler besitzt er, er ist ein Stubengelehrter, der die Welt nur aus Büchern kennt. – Das wird ihm denn auch zum Verhängnis, zum Schicksal. Hierin liegt die Tragik seines Lebens, aber es ist auch wieder eine glückliche Tragik; denn durch dieses Verhängnis, durch dieses Schicksal wird er zum Dichter. Wir sehen, wie das Leben, das warme, frohe, sprudelnde Leben ihm in Gestalt einer jungen, schönen und stolzen Witwe, in Gestalt Hadwigs, der Herzogin von Schwaben, entgegentritt. Sie ist es, die an seinem jugendlich schönen Körperbau, an seinem frohgemuten Antlitz und seinen strahlenden Blauaugen Gefallen findet. Sie ist sein Schicksal, an dem er zu einem echten, lebensnahen Dichter heranreift. Wir erleben mit, wie das Wohlgefallen an Ekkehard in der Herzogin Herz zu einer tiefen Liebe wird, wie sie Ekkehard zu sich auf die Burg nimmt, um mit ihm, dem hochgelehrten, vielbelesenen Mönch den Vergil zu lesen; vor allem aber um ihn bei sich zu haben. Ekkehard ist zunächst noch der unbefangene, nüchterne Mönch, aber schon bald kommen auch in ihm Gedanken und Empfindungen hoch, die er bis dahin nicht kannte. Es entbrennt ein heißer Kampf in seinem Herzen, seiner Seele. Die erste Zeit behält die jahrelang geübte Mönchszucht noch die Oberhand, doch langsam, aber um so sicherer schmilzt in ihm der Eisblock der Askese, der die Gefühle seines Herzens umgibt. Langsam, doch immer stärker steigt in ihm seine Natur empor, immer stärker, immer mächtiger wird die Zuneigung zu ihr, der Herzogin. Er kämpft mit sich, in sich einen unsäglich schweren Kampf, den Kampf der Natur gegen den Geist, gegen das Gelübde, das er als Mönch mit freiem Willen abgelegt, das Gelübde der ewigen Keuschheit. Er hätte in seine einsame Zelle zurückkehren müssen, aber er tut es nicht, er kann nicht. Er sieht, wie die Herzogin ihn aus tiefstem Herzen liebt, doch er gibt noch nicht nach, noch nicht – aber …! Noch siegt der Geist in ihm, noch das Gefühl der Pflicht gegen Gott und Menschen; auch noch an dem Karfreitagmorgen, wo Hadwig ihm als die liebende Frau entgegentritt und ihm das kostbare Schwert ihres früheren Gatten schenkt. Er möchte, und schon sieht es so aus, als ob er nachgeben wollte; doch, nur für einen Augenblick scheint es so; dann aber erinnert ihn ein Blick auf das Kreuz, das vor ihm an der Wand hängt, an seine Pflicht, seine harte, grausame Pflicht.
Noch einmal sehen wir ihn als gottesbegeisterten Prediger bei seiner Predigt vor der Hunnenschlacht. Später aber kann er seine Liebe nicht mehr verbergen und so umschlingt er schließlich die Herzogin mit seinen Armen und küßt sie, er, der Mönch, die Herzogin. Feindesaugen, die Augen seines Hassers Rudimann, sehen es. Er hat sich damit gesellschaftlich unmöglich gemacht, er muß aus der menschlichen Gesellschaft weichen, er flieht. Aber Gottes Hand führt ihn ins Gebirge, zu den kraftvollen, naturhaften Bergbewohnern. Hier, in dem majestätischen Schweigen der Berge, unter den kernigen Naturmenschen gewinnt er Abstand zu dem Geschehenen. Er wird zu einem ernsten, abgeklärten Mann, der die Welt und die Menschen in ihren „Höhen und Tiefen“ kennt. Jetzt ist er reif, ein gereifter Mann. Aus dem reichen Schatz der Natur, aus den Tiefen seines Herzens schöpft er nun. Er wird zum Dichter. Er wird zum echten, wahren, lebenserfahrenen, lebensnahen Dichter. Jetzt sprudelt es aus ihm hervor, was er schaffen sollte, das Waltharilied[1], das nur ein echter Dichter schaffen konnte.
So reifte Ekkehard, der stille, weltabgeschiedene Mönch, durch sein Schicksal zu einem lebenswarmen, echt deutschen und großen Dichter heran.
Gut
[1] Durch einen Dichtermönch des Klosters Weißenburg entstand vermutlich in der zweiten Hälfte des 9. Jh. die lateinische Dichtung Walthari poesis. Sie erzählt in ca. 1.500 Hexametern die Geschichte des Königssohnes Walther von Aquitanien und der Königstochter Hildegunde von Burgund.
Bei der Werkwoche des Katholischen Wandervogels im Ratinger Landheim spielt der Ekkehard eine Rolle.
27. Dezember 1932, 1. Tag
Den Tag mit Spiel, Vorbereitungen hingebracht. Abends Singen (Jungenschaftslieder und alten „Kram“). „Der Abend kommt und der Herbstwind weht“ aus Scheffels Ekkehard. – Gegen 22.15 Uhr ins „Bett“ (Matratzen im warmen Tagesraum).
Joseph Victor von Scheffel, Ekkehard:
Der Abend kommt und die Herbstluft weht,
Reifkälte spinnt um die Tannen,
O Kreuz und Buch und Mönchsgebet –
Wir müssen alle von dannen.
Die Heimat wird dämmernd und dunkel und alt,
Trüb rinnen die heiligen Quellen:
Du götterumschwebter, du grünender Wald,
Schon blitzt die Axt, dich zu fällen!
Und wir ziehen stumm, ein geschlagen Heer,
Erloschen sind unsere Sterne –
O Island, du eisiger Fels im Meer,
Steig auf aus mächtiger Ferne.
Steig auf und empfah unser reisig Geschlecht –
Auf geschnäbelten Schiffen kommen
Die alten Götter, das alte Recht,
Die alten Nordmänner geschwommen.
Wo der Feuerberg loht, Glutasche fällt,
Sturmwogen die Ufer umschäumen,
Auf dir, du trotziges Ende der Welt,
Die Winternacht woll’n wir verträumen!
(9. Kapitel, Die Waldfrau: 100)
Bei der Baltrumfahrt 1933 ist der „Ekkehard“ mit im Gepäck.
Karl Leisner am 4. Juli 1933 aus Kleve an Walter Vinnenberg in Münster:
Für die acht Tage auf Baltrum bringen wir etwa folgende Bücher mit: „Tom Sawyer“ und „Huckleberry Finn“[1]; – die „Spielmannbände“ [von Ernst Weber]: Blumen und Bäume, Tierwelt, Riesen und Zwerge, Fabelreich; [Victor von] Scheffels „Ekkehard“ (werden im Rundbrief [an die Teilnehmer] angegeben!).
[1] Twain, Mark: Tom Sawyers Abenteuer und Streiche, Stuttgart 1921, u. Huckleberry Finn. Ein neuer Mississippi-Roman, Potsdam 21940
In Karl Leisners Tagebucheintrag vom 29. August 1932 fehlt ein Foto, unter das er geschrieben hat:
Alt Heidelberg Du feine! Du Stadt an Ehren reich, am Neckar und am Rheine, kein’ andre kommt Dir gleich! (Victor von Scheffel)[1]
[1] Das Gedicht „Alt-Heidelberg du feine“ ist Bestandteil von Scheffels Versepos „Der Trompeter von Säkkingen“ (1854), das einen autobiographischen Hintergrund aufweist. So handelt es sich bei dem Trompeter – in dem Scheffel offenbar sich selbst sieht – um einen gescheiterten Jurastudenten, der im Alkohol seinen Trost sucht. Dem Epos zufolge brachte der Trompeter Werner Kirchhoff der Kurfürstin, die zur Mittagszeit auf dem Schloßbalkon weilte, ein schmachtendes Liebeslied dar. Daraufhin wurde er zum Rektor der Universität zitiert. Auf Grund seines unbefugten Ständchens mit Gesang und Trompete, mußte er innerhalb von drei Tagen Heidelberg verlassen. Am vierten Tag verließ er die Kurpfalz und erreichte den Schwarzwald, wo er einem Pfarrherrn begegnete. Im Gespräch mit diesem schwärmte er von seiner Heimat in Form des Gedichts, das als Alt-Heidelberg du feine berühmt wurde (URL http://www.sino.uni-heidelberg.de/ students/tjuelch/Dichtung/Scheffel.htm – 28.4.2011).