Dr. theol. Jorge Maria Kardinal Mejia (* 31.1.1923 in Buenos Aires, † 9.12.2014 in Rom) – Priesterweihe 1945 – Bischofsweihe zum Titularerzbischof von Apollonia 1986 – Archivar und Bibliothekar der Heiligen Römischen Kirche 1998–2003 – Kardinal 2001
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L’Osservatore Romano berichtete am 9. Dezember 2014 vom Tod des Kardinals.
Da alle Versuche, einen Beleg für die Privataudienz Karl Leisners bei Papst Pius XI. am 30. Mai 1936 in Rom zu finden, erfolglos waren, schrieb der damalige Bischof von Münster Dr. Reinhard Lettmann folgenden Brief an den Archivar der Heiligen Römischen Kirche Jorge Maria Kardinal Mejia:
Auch diese Anfrage brachte kein positives Ergebnis. Die Antwort lautete, es sei kein Beleg zu finden.
Als der renommierte Kirchenhistoriker Prof. Dr. Hubert Wolf (* 26.11.1959) zu den, bis 1939 freigegebenen Akten im Vatikan Zugang hatte, suchte auch er nach einem Beleg.
Dr. B. Schüler am 24. Oktober 2006 an Hans-Karl Seeger:
Herr Prof. Wolf bat mich, Ihnen auf Ihre Anfrage bzgl. Karl Leisners Audienz bei Pius XI. zu antworten. Ich selbst habe im Vatikanischen Geheimarchiv die Bestände mit den Audienzen durchgesehen. Leider ist Karl Leisner nicht aufgetaucht. Nun kommen aber immer wieder in anderen Beständen Berichte über Audienzen vor, so daß es sein kann, daß wir nach einer systematischen Durchsicht doch noch auf etwas stoßen. Momentan sind weitere meiner Mitarbeiter in Rom, ich werde Sie bitten, darauf ein Auge zu werfen. Ansonsten sind Herr Wolf und ich nochmal im Dezember in Rom, so daß ich ggf. mit der Dame, die den Bestand Audienzen im Archiv bearbeiten kann, selbst sprechen könnte.
Für den Moment kann ich Ihnen aber leider keine weitere Auskunft geben. Mit freundlichen Grüßen und allen guten Wünschen für Ihre Edition.
Dr. B. Schüler
Das Tagebuch, in dem Karl Leisner die Romfahrt mit seinen Studienkollegen Josef Köckemann und Max Terhorst festgehalten hat, existiert nicht mehr, aber in seinen späteren Tagebuchnotizen erwähnt er öfter die Romfahrt von 1936 mit der Papstaudienz.
Samstag, 30. Mai 1936
Privataudienz bei Papst Pius XI.
Karl Leisner am 10. Februar 1939 in seinem Tagebuch:
Mit Rührung und Ergriffenheit erinnere ich mich an die Audienz, die wir am Pfingstsamstag, am 31.[30.]5.1936 (an seinem 80. Geburtstag[1]) bei ihm in kleinem Kreise hatten. An die unvergeßlich lieben, väterlich-menschlichen Worte, die er in unserer Muttersprache mit uns wechselte. An die Grüße und den apostolischen Segen, den er uns an die Eltern und Geschwister, an die ganze Heimat und besonders die Jugend mitgab. An das unvergeßliche, leidgeprüfte, große, priesterliche Antlitz.
[1] Pius XI. wurde am 31.5.1857 geboren.
Josef Köckemann schildert in seinem Fahrtenbericht die Audienz beim Papst:
Auf Freitag [Samstag] vor Pfingsten lautete unsere Einladung zur Privataudienz beim Papst. Um 10.30 Uhr sollten wir an der Pforte des Vatikanpalastes sein. Pünktlich überreichten wir einem der zwei in mittelalterlich bunten Landsknechtstrachten gekleideten und mit Hellebarden ausgerüsteten Schweizergardisten unsere Einladungsbilletts. Dieser musterte erstaunt unsere Jungengesichter und wohl auch unsere Kluft, dann wieder unsere Billetts, schließlich salutierte er stramm. – Unsere Karten schienen ihn zu überfordern. Wir grinsten uns an. Doch schon sehr bald erschien er wieder, gefolgt von einem Offizier der Garde, der unsere Einladungen in der Hand hatte. Auch dieser Offizier grüßte uns korrekt militärisch, musterte uns genau und forderte uns dann in sehr gutem Deutsch auf, ihm zu folgen. Wir gingen die Stufen hinauf und betraten eine sehr große Empfangshalle, in der wohl an die 100 Menschen versammelt waren. Alle in dunklen, sehr vornehmen Kleidern – die Herren im Frack, die Damen mit Schleiern.
Unser Offizier bahnte mit schnellem Schritt einen Weg durch diese Gruppen und munterte uns ständig auf, ihm nur auf den Fersen zu bleiben. Wir betraten einen zweiten Raum, nicht ganz so groß, aber auch hier waren noch viele Menschen, die in Gruppen zusammenstanden und nur sehr gedämpft sich unterhielten. Sie warteten offenbar auf eine Gruppenaudienz beim Papst.
Auch diesen Raum durcheilten wir schnellen Schritts. Es folgte dann noch ein dritter und vierter Raum, jeweils mit kleineren wartenden Gruppen. Schließlich kamen wir in einen Raum, in dem lediglich eine Gruppe von drei Personen war. Es mußten sehr vornehme Leute sein, wahrscheinlich aus Spanien. Der Offizier wies auf eine uns gegenüberliegende schmuckvolle Tür und sagte: „Dort, hinter dieser Tür ist das Arbeitszimmer des Papstes. Bitte, warten Sie einige Minuten. Sie werden gleich hineingebeten werden!“ Er salutierte und überließ uns unserm Schicksal.
Die Tür öffnete sich schneller als erwartet, ein Diener trat von drüben in unsern Raum und verbeugte sich grüßend; wir sahen im Hintergrund an einem großen Schreibtisch den Papst noch beschäftigt mit Schriftstücken. Doch ein Lichtblick tat sich auf. Neben dem Papst stand in seiner stattlichen Größe und Fülle Kardinal Caccia, dem wir uns nun schon vertraut fühlten.[1] Zu unserm Erstaunen wurden wir auch in diesem Falle der anderen Gruppe vorgezogen und von dem Diener hineingebeten.
Während wir in das Arbeitszimmer des Papstes traten, erhob sich Pius XI., und, begleitet von Kardinal Caccia, trat er mit ausgebreiteten Armen auf uns zu und begrüßte uns mit dem Ruf: „Fioretti Germaniae“ (Blumen aus Deutschland). Wir waren glücklich. Kniebeuge und Ringkuß wurden unprotokollarisch vollzogen und der Papst geleitete uns an einen kleinen Seitentisch mit mehreren Sesseln zum Gespräch. Nach der Frage, aus welcher Diözese wir kämen, waren wir überrascht, wie genau der Papst über die Diözese Münster Bescheid wußte. Voller Hochachtung und Bewunderung sprach er von Clemens August Graf von Galen, der seit 1933 unser Bischof war. Hier hörte ich zum ersten Male aus dem Munde des Papstes jenen Ehrentitel „Der Löwe von Münster“, der so oft in späteren Jahren unserm hochverehrten Bischof beigelegt wurde.[2] Voller Hochachtung sprach der Papst aber auch von den Diözesanen. Längst war man sich auch in Rom der gezielten Irreführung seitens der Nazis durch das 1933 abgeschlossene Konkordat bewußt geworden und hatte erst im Vorjahr auf dem großen Sturmschartreffen 1935 in Rom die Standfestigkeit der katholischen Jugendverbände erfahren. Dann kamen gezielte Fragen zur Lage der katholischen Jugend in der Diözese und allgemein in Deutschland. Hier war nun Karl in seinem Element. Als jahrelanger Diözesanjungscharführer wußte er viele Einzelheiten zu berichten. Jupp und ich konnten nur froh sein, einen solchen Reporter unter uns zu haben. – Eine persönliche Note bekam die Unterhaltung dadurch, daß der Papst uns fragte, wie wir denn über die Alpen gekommen seien. Wir berichteten kurz darüber. Da ließ der Papst voller Eifer Erinnerungen an seine alpinistischen Leistungen und Erlebnisse anklingen. Wir wußten, daß ihm in früheren Jahren die Erstbesteigung des Monte Rosa[3] gelungen war.
Im ganzen wickelte sich das Gespräch gelockert und fließend ab.[4] Wir fühlten uns wirklich einem gütigen, väterlichen Freund gegenüber. So war die uns gegönnte Gesprächszeit sehr schnell vorüber. Zum päpstlichen Segen knieten wir gleich neben dem kleinen Gesprächstisch nieder und nach einem herzlichen Händedruck griff langsam wieder die nüchterne Wirklichkeit nach uns. Der Diener, der an der Tür dem Ganzen gefolgt war, geleitete uns nun wieder hinaus. Glücklich strahlend durchschritten wir nun die Räume, in denen die vielen anderen auf eine Audienz warteten. Erst draußen unter den Kolonnaden des weiten Petersplatzes hatte uns dann die ganze Wirklichkeit wieder.
[1] Camillo Kardinal Caccia Dominioni (* 7.2.1877 in Mailand/Lombardei/I, † 12.11.1946 in Rom) – Priesterweihe 23.9.1899 in Mailand – Apostolischer Protonotar u. Maestro di Camera di Sua Santità (Kammermeister seiner Heiligkeit) ab 16.6.1921 – Maggiordomo di Sua Santità (oberster Leibwächter seiner Heiligkeit) 1935 – Kardinal 16.12.1935 – außerdem Mitglied wichtiger vatikanischer Kongregationen
[2] Die Münsteraner erfuhren durch Josef Kardinal Frings, der wie Clemens August Graf von Galen am 18.2.1946 zum Kardinal erhoben worden war, in dessen Trauerpredigt für Kardinal von Galen am 28.3.1946, dieser sei der Star der neuen Kardinäle gewesen, denn er habe von den begeisterten Römern den Titel „Il leone di Munster – Der Löwe von Münster“ erhalten (s. Trauerpredigt Frings in: Löffler 1996 Bd. II: 1335–1338 u. Wolf, Hu. 2006: 144).
Joachim Kuropka aus Vechta am 7.3.2011 an Hans-Karl Seeger:
Josef Pieper hat ja behauptet, der Ehrentitel sei erst nach dem Krieg entstanden. Immerhin habe ich einen Beleg aus Schlesien ( ! ) gefunden, wo er 1942 vom Volksmund so tituliert wurde. Der Beleg von 1936, den Sie mir mitteilen, bestätigt eben, daß Galen schon seit 1934 über Deutschland hinaus bekannt war und – nicht zuletzt in (bekennenden) evangelischen Kreisen – wegen seiner deutlichen Worte bewundert wurde.
[3]Gebirgsmassiv der Walliser Alpen auf der schweizerisch-italienischen Grenze mit dem höchsten Punkt der Schweiz, der 4634 m hohen Dufourspitze
[4] Die Unterhaltung wechselte zwischen Italienisch und Deutsch. Am 19.9.1936 notierte Karl Leisner:
Ende O II g – Anfang U I [1932/1933] lernte ich auch das Italienische dazu privatim [zusammen mit Hermann Ringsdorff]. Es machte mir viel Freude. Seine erste „praktische Frucht“ trug es ja auf der diesjährigen Romfahrt.
Der belgische Zeichner Didgé hat im Comic „Victor in Vinculis – Sieger in Fesseln“ den Besuch in Rom mit der Papstaudienz in folgenden Szenen dargestellt: